Mazedoniens Außenminister Nikola Poposki im Interview mit der "Presse" über den Streit mit Griechenland, den er rasch lösen will, und "falsche Ängste" vor neuen Anwärtern für die Europäische Union.
Die Presse: Wegen des Streits um den Namen Mazedonien blockiert Griechenland den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit Ihrem Land. Jetzt ist Griechenland durch die Krise geschwächt. Könnte es dadurch leichter werden, einen Kompromiss zu finden?
Nikola Poposki: Viele glauben, dass das ein Vorteil für uns sein könnte, aber es hat diese Frage komplizierter gemacht. Alle politischen Kräfte in Griechenland sind gezwungen, sich auf das dominierende Thema Krise zu konzentrieren. Bilateralen Angelegenheiten wie mit Mazedonien wird nur wenig Energie gewidmet. Aber wir können das nicht einfach aufschieben, bis bessere Zeiten kommen. Das Problem ist Anfang der 90er-Jahre aus dem Nichts aufgetaucht. Griechenland hat behauptet, das unabhängige Mazedonien stelle eine Gefahr für seine Sicherheit und territoriale Unversehrtheit dar. Jetzt, 20 Jahre später, zeigt sich noch deutlicher als damals, dass das Unsinn ist. Viele Mazedonier machen Urlaub in Griechenland. Griechische Unternehmen investieren in Mazedonien. Unsere Wirtschaft ist nicht groß genug, um die griechische Wirtschaft zu retten, aber wir leisten einen Beitrag dazu. Viele Griechen haben großes Interesse daran, die unsinnige Blockade zu beenden.
In Mazedoniens Hauptstadt, Skopje, werden zahlreiche neue Statuen errichtet: von Philipp von Makedonien und Alexander dem Großen. Ist das im Streit mit Griechenland nicht kontraproduktiv?
Das wird als Ausrede missbraucht. Wir sind schon viele Jahre zuvor blockiert worden, obwohl diese Monumente noch nicht standen. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen, dass Griechenland eine große Zahl Ausreden entwickelt hat, um eine unvertretbare Blockade zu rechtfertigen. Es ist viel wichtiger, sich auf die Zukunft zu konzentrieren. Und nicht Ausreden zu finden – wofür Griechenland Talent hat.
Mazedonien hat den Flughafen in Skopje „Alexander der Große“ getauft. War das die Rache für die Blockade durch Griechenland?
Die Griechen haben den Flughafen in Thessaloniki in „Macedonia“ umbenannt. Und der Flughafen in Skopje wurde in „Alexander der Große“ umbenannt. Eine irrationale Blockade gegen einen kleineren Nachbarn ist kontraproduktiv und schafft das Gefühl, dass die nationale Identität Ausdrucksformen finden muss. Je mehr man eine Nation unter Druck setzt, umso sichtbarer werden solche Gefühle.
Ist es nach wie vor attraktiv, der EU beizutreten, jetzt, da sie in Problemen steckt?
Wir sind nach wie vor EU-Fans. Die Unterstützung für die Union hat in der Bevölkerung die 85-Prozent-Marke noch nie unterschritten. Die Menschen haben von der Illusion Abstand genommen, dass die EU-Mitgliedschaft Garantie für Wohlstand eines jeden Einzelnen ist. Der Grad der Zustimmung ist aber gleich hoch geblieben, denn aus mazedonischer Perspektive ist Europa viel mehr als die simple ökonomische Dimension.
Obwohl Mazedonien seit sieben Jahren auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen wartet?
Die Mazedonier bleiben überzeugt von der europäischen Idee: Die Zustimmung zum EU-Beitritt ist gleich hoch geblieben, aber viele haben das Vertrauen in die europäischen Institutionen verloren. Die EU-Kommission hat drei Jahre hintereinander gesagt, Mazedonien ist bereit für den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Es ist dann sehr schwierig, den Menschen zu erklären, dass ein einziger Mitgliedstaat – Griechenland – die Beitrittsgespräche blockieren kann.
Ist es schwieriger geworden, der Europäischen Union beizutreten?
Es ist komplizierter geworden. Die Union ist sehr vorsichtig geworden, wegen nicht so gut gemanagter Dinge bei früheren Erweiterungswellen. Dazu kommt die Wirtschaftskrise. Die Bevölkerung der EU-Staaten denkt: Wir haben jetzt ein Problem, und wenn wir noch jemanden aufnehmen, wird das Problem größer. Das basiert auf falschen Ängsten: Einige Staaten, die nicht in der EU sind, haben eine bessere Performance als einige in der EU. Unser Schuldenstand ist einer der niedrigsten in Europa. Wir haben die Maastricht-Kriterien immer eingehalten. Wenn wir EU-Mitglied wären, hätten wie uns am Fonds zur Rettung reicherer Staaten beteiligen können. Wir haben zwar ein Riesenproblem mit Arbeitslosigkeit, aber wir versuchen das zu lösen, indem wir Mazedonien als gute Destination für Investoren bewerben.
AUF EINEN BLICK
Mazedoniens Außenminister Poposki will den Konflikt mit Athen rasch lösen. Athen weigert sich, Mazedonien als Staatsnamen anzuerkennen und wirft Skopje vor, Teile der griechischen Geschichte zu vereinnahmen. [Reuters]