Die Ruchti AG im Gwatt geht neue Wege: Vor einem Jahr wurde die Produktion von Fenstern nach Mazedonien verlagert. Die Bilanz nach einem Jahr: Die Produktion läuft auf vollen Touren.
Blick in die neue Fabrikationshalle der Ruchti AG in Mazedonien: Geschäftsführerin Sebajet Toska bespricht mit Abteilungsleiter Dejan Boskovski einen neuen Bestellungseingang.
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Skopje ist für den Thuner Unternehmer Daniel Ruchti schon fast zur zweiten Heimat geworden. «Dieses Jahr war ich schon et-wa 25-mal dort», erzählt Ruchti. Die Hauptstadt Mazedoniens (500'000 Einwohner) liegt zwei Flugstunden oder 1700 Autobahnkilometer von der Schweiz entfernt. «Während der Aufbauphase unserer neuen Firma musste ich manchmal auch kurzfristig für einen Tag dorthin fliegen», erinnert sich Ruchti.
Ende 2011 war der Rohbau der neuen Firma so weit fertig, dass die Produktionsmaschinen aus dem Betrieb im Gwatt nach Mazedonien gezügelt werden konnten. Mitte Februar begann die Produktion der Holz- und Kunststofffenster, erst letzten Mai lief sie dann auf vollen Touren. «Der Transfer der Technologie und des Know-hows sowie die Ausbildung der Mitarbeiter dauerte etwas länger als geplant», sagt Ruchti.
Zudem sah sich der Thuner Unternehmer auch mit Unterschieden in Kultur und Mentalität konfrontiert. «Die bürokratischen Hürden in Mazedonien sind wesentlich höher als bei uns», nennt er ein Beispiel. Man müsse allem selber nachgehen und sich die Informationen zusammensuchen. Zudem sei auch die Infrastruktur vor Ort nicht optimal, Stromausfälle kämen beispielsweise regelmässig vor. «In der Schweiz sind die Verhältnisse für Unternehmer absolut perfekt, dessen sind sich viele Leute gar nicht bewusst», meint Ruchti.
Start mit Schwierigkeiten
Die bisherigen Erfahrungen mit der Produktion in Skopje bezeichnet Ruchti als positiv: «Anfänglich hatten wir Mühe, die geforderten personellen Anforderungen zu erfüllen.» Nach entsprechenden Massnahmen und der Einsetzung einer neuen Geschäftsführerin laufe nun aber alles nach Plan. «Wir bieten den gleichen Qualitätsstandard an wie in der Schweiz», betont Ruchti.
Endmontage im Gwatt
Konkret läuft die Produktion folgendermassen: Von Thun aus werden die Materialien für die Holz- und Kunststofffenster geliefert bzw. bestellt. Die Rohmaterialien stammen aus der Schweiz und der EU. So wird das Holz aus Österreich direkt ins Werk in Skopje geliefert. Dort werden dann die Fensterrahmen nach den Vorgaben aus der Zentrale in Thun zusammengebaut. Anschliessend werden die Rahmen mit Lastwagen nach Thun transportiert, wo dann noch die Glasscheiben eingesetzt werden. «Somit liegt der grössere Anteil der Wertschöpfung in der Schweiz», erklärt Ruchti.
Mit der Teilproduktion im Ausland liegt die Ruchti AG voll im Trend. Schon heute kommt jedes zweite in der Schweiz montierte Fenster aus dem Ausland. «Dieser Anteil wird noch markant steigen», ist Ruchti überzeugt. Arbonia Forster, Marktführer in der Schweiz , stellt einen Grossteil der Fenster inzwischen im Ausland her. «Die Produktionskosten in der Schweiz sind für uns einfach untragbar geworden», so Ruchti. In Mazedonien sind diese deutlich tiefer.
Gegenwärtig beschäftigt die Ruchti AG in Skopje 35 Leute. «Damit ist eine Schicht voll ausgelastet», erläutert Ruchti. Die Jahresproduktion beträgt rund 15'000 Fenster. Damit konnte die Produktion gegenüber früher um 30 Prozent gesteigert werden. «Unsere Mitarbeiter sind sehr engagiert und auch dankbar für die Arbeit», erzählt Ruchti. Denn ausländische Investitionen sind in Mazedonien selten. So sorgte das Engagement des Thuners in Skopje auch für entsprechend positive Schlagzeilen.
Export in die EU geplant
Ruchti denkt bereits über einen Ausbau der Produktion nach: Wenn die Nachfrage weiter steigt, könne diese durch eine zweite Schicht abgedeckt werden. Ruchti hofft, seine Fenster dereinst auch in anderen europäischen Ländern verkaufen zu können. In Mazedonien selber sieht er allerdings kein Marktpotenzial: «Die Qualitätsansprüche sind viel tiefer, womit unsere Produkte zu teuer sind.»
Für Ruchti ist klar: «Trotz all der Mühen würde ich das Ganze nochmals machen.» Mit dem Schritt auf den Balkan habe er den Fortbestand der Firma im Gwatt sichern können. «Längerfristig wäre eine rentable Fensterproduktion in Thun nicht mehr aufrechtzuerhalten gewesen», ist Ruchti überzeugt.(Thuner Tagblatt)