„Wir werden noch jahrelang Häuser planen und designen. Aber das hier ist das Projekt unseres Lebens, weil wir unsere Stadt lieben“, sagt Daniela Stefanovski mit fester Stimme. Sie ist eine der mazedonischen Architektinnen des Projektes „Memorial Park of the Jews from Monastir/Bitola“, an dem seit Beginn vergangenen Jahres auch zahlreiche Jugendliche aus der Stadt Gernsbach mitarbeiten. Initiiert hatte die deutsche Beteiligung Pfarrer Hans-Joachim Scholz. Elf Gäste aus Bitola besuchten nun gemeinsam mit dem jüdischen Botschafter Mazedoniens mehrere Tage die Region, um für das Projekt zu werben. Die gemeinsame Vision der Beteiligten: Ein 42 000 Quadratmeter großer, jüdischer Friedhof, der seit 1497 auf einem malerischen Hügel der mazedonischen Stadt Bitola liegt, soll vor dem Verfall gerettet und zu einer Gedenkstätte umgewandelt werden.
Der jüdische Friedhof von Bitola wurde 1479 errichtet, nachdem die aus Spanien vertriebenen Juden auf dem Balkan eine neue Heimat gefunden hatten. Das gesamte Gelände umfasst 42.000 Quadratmeter. Die Gräber stehen in relativ großem Abstand zueinander, denn nicht überall war der Untergrund geeignet, um Grabsteine aufzustellen. Teilweise besteht der Boden aus festem Fels. Der Friedhof gehört zu den größten und ältesten des gesamten Balkans. Teilnehmer des Projektes wollen das Areal sanieren und einen Gedenkort für die 3.267 Juden schaffen, die im März 1943 an nur einem Tag von der mazedonischen Stadt in ein polnisches Konzentrationslager deportiert wurden.
Jugendliche aus vier Nationen packten mit an
18.000 Quadratmeter des Geländes haben Jugendliche aus der Region Gernsbach, aus Russland, den USA und Mazedonien bereits im vergangenen Sommer unter Anleitung von Experten gereinigt, 3.000 unter Schmutz und Pflanzen verschüttete Grabsteine wurden dokumentiert. Auch dieses Jahr wird wieder eine internationale Gruppe von Helfern erwartet. „Wir gehen davon aus, dass die Reinigungsarbeiten in diesem Jahr abgeschlossen werden können“, informierte der jüdische Botschafter Dan Oryan bei einem öffentlichen Info-Abend im Paulussaal Staufenberg. Bereits zum aktuellen Stand der Sanierungsarbeiten hätten sich ergreifende Szenen ereignet: „Menschen verschiedener Nationen kamen, um Gräber von Angehörigen zu suchen, sie beteten und weinten an den Stätten.“
Ein Kinderbuch für den Friedhof
Der israelische Botschafter setzt sich persönlich dafür ein, das Projekt „Memorial Park of the Jews from Monastir/Bitola“ weiter bekannt zu machen und seine Finanzierung voranzubringen: Das von ihm verfasste Kinderbuch „Wenn Papa groß ist“ erschien bereits in neun Sprachen, einschließlich Arabisch. Bald soll es auch auf Deutsch veröffentlicht werden. „Ich bin wohl der einzige Israelische Botschafter, der ein Kinderbuch auf Arabisch veröffentlicht hat. Darauf bin ich stolz, denn ich will Brücken bauen, wo Gräben sind“, sagt er zu seiner Autorentätigkeit. Die Einnahmen aus dem Buchverkauf kommen vollständig der Sanierung des historischen jüdischen Friedhofs in der zweitgrößten mazedonischen Stadt Bitola zugute.
Unterstützung des Künstlers Maty Grunberg
Um den historischen Friedhof nach seiner Sanierung zu einem lebendigen Ort der Andacht und des Austauschs zu machen, erarbeiten Fachleute in Mazedonien aktuell ein Konzept, den Friedhof als Gedenkpark zu gestalten. „18 Plattformen sollen auf dem Gelände entstehen. Diese Zahl steht im Hebräischen symbolisch für das Wort ,Leben‘“, erläuterte Oryan. Eine mehrteilige Installation für das Gelände hat zudem der israelische Künstler Maty Grunberg zugesagt.
Bei dem gut besuchten Informationsabend im Paulussaal sprachen die Jugendlichen neben dem Projektsachstand auch über ihre Motivation, sich für Bitola zu engagieren: „Wir wollen ein Zeichen setzen, dass unsere Generation Verantwortung übernimmt. Dabei geht es um das Erinnern und Gedenken, nicht darum, sich zu verkriechen“, betont Tim Abel, der seit seiner Konfirmationszeit in der Paulusgemeinde aktiv ist und Pfarrer Scholz bei der Organisation der Reise im Sommer 2016 unterstützte. „Es war eine gute Erfahrung zum Thema Versöhnung. Alle haben bei der Arbeit an einem Strang gezogen und waren sowohl mit Spaß als auch Würde dabei.“ Mehrere jüdische Jugendliche vom Josip-Bros-Tito-Gymnasium betonten ihre enge Verbundenheit mit dem Projekt über ihre Familiengeschichte. „Was geschehen ist, darf nicht in Vergessenheit geraten“, so einer der Gäste. Dekan Thomas Jammerthal lobte alle Teilnehmer für ihren Einsatz: „Man kann die Gegenwart nur verstehen und die Zukunft begreifen, wenn man sich der Vergangenheit stellt. Und für uns Deutsche ist die Schoah Teil unserer Vergangenheit.“ Dass die geschichtliche Aufarbeitung gemeinsam mit jungen Menschen verschiedener Länder geschehe, habe dabei einen hohen Wert.
QUELLE: Badische Neue Nachrichten