ARD: Lence Zdravkin - Die Mutter Teresa Mazedoniens

In Ihrem früheren Leben war die 48-jährige Lence Zdravkin aus Veles in Mazedonien Journalistin. Sie arbeitete in der kleinen privaten Fernsehstation ihres Ehemannes Angel. Das Haus der beiden liegt direkt an den Gleisen, der Hauptstrecke der Eisenbahnlinie die durch Mazedonien führt, und diese Bahnstrecke hat das Leben der Familie Zdravkin von Grund auf verändert.


Lences Mann Angel ist häufig auf Reisen und kommt dann oft sehr spät nach Hause. Und es war ein Duft, der ihm zum ersten Mal bewusst machte, was seine Frau Lence für Flüchtlinge tat. An einem Morgen – schon im Jahr 2013 – da roch es im ganzen Haus nach frisch gebackenem Brot. Angel freute sich schon darauf, doch als er zum Mittagessen nach Hause kam, da war das Brot weg. Lence hatte es an Menschen verteilt die an ihrem Haus vorbeizogen. Auf dem Weg von Griechenland aus durch Mazedonien in Richtung Serbien und dann weiter nach Westeuropa. Schon damals im Jahr 2013 kamen viele entlang der Gleise auch durch Veles. Darunter zigtausende Menschen die vor den Konflikten und Kriegen im Nahen Osten fliehen mussten. Lences Mann Angel Zdravkin ist der Meinung, dass Lence mindestens 40.000 Menschen geholfen hat.

Wenn Lence diese Schätzung ihres Mannes hört, dann lächelt sie nur und sagt, dass es weit mehr waren. Denn die Hälfte der Menschen habe er gar nicht gesehen. An dem Engagement für die vorbeiziehenden Flüchtlinge war aber die ganze Familie Zdravkin beteiligt. Sogar der zweijährige Enkel von Lence – der wie sein Großvater Angel heißt – hat mitgeholfen. Denn im „Haus der Hoffnung“ wie das Heim der Zdravkins inzwischen genannt wird, bekommen die Menschen etwas zu Essen und Trinken, frische Kleidung, Medikamente oder sie haben die Möglichkeit, sich zu waschen. Am Anfang bezahlten die Zdravkins aus eigener Tasche, was sie an die Flüchtlinge verteilten. Aber es blieb nicht bei einer Suppe oder Kartoffeln, sondern vor allem gaben sie den Menschen gute Worte mit auf den Weg und einen Platz, um sich auszuruhen, vor den weiteren 100 Kilometern Fußmarsch bis zur serbischen Grenze.

Was Lence tat blieb nicht unbemerkt, und so bekam sie viel Anerkennung und Unterstützung, unter anderem von Privatleuten aus der Umgebung, aber auch vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR und der mazedonischen Nichtregierungsorganisation „Legis“. Mit deren Hilfe hat Lence inzwischen zwei Sammelstationen eingerichtet. Eine im Keller ihres Hauses und die andere in den Räumen des Fernsehgebäudes ihres Mannes. Dort stapelt sich alles was Menschen brauchen die auf der Flucht sind und die teilweise nicht mehr retten konnten außer dem nackten Leben.

Während der Wintermonate sind weit weniger Flüchtlinge am „Haus der Hoffnung“ vorbeigekommen. Aber im Februar waren es wieder an die fünfhundert Menschen, erzählt Lence. Meist kommen sie in der Nacht. Auch die mazedonischen Grenzen sind inzwischen für Flüchtlinge geschlossen, und die Wege durch das Land werden sehr stark kontrolliert.
Unter der Woche besucht Lence die beiden Flüchtlingsunterkünfte in Mazedonien, in denen zur Zeit nur noch einhundert Menschen untergebracht sind. Am Wochenende fährt Lence dann in die Flüchtlingsunterkünfte in Griechenland, wo es weiterhin sehr viele Menschen gibt die auf Hilfe angewiesen sind.
Für Lence selbst ist das nicht unproblematisch. Denn in Mazedonien kann man – sowohl 2013 als auch jetzt – mit dem Gesetz in Konflikt geraten wenn man diesen Menschen hilft. Wegen sogenannter „Hilfe für illegale Migranten“ können Freiheitstrafen bis zu sieben Jahren drohen.
Doch Lence hat keine Angst davor und auch das ist ein Grund, weshalb sie die „neue Mutter Teresa“ Mazedoniens genannt wird.