Was macht ein Unternehmer, wenn er stark expandieren will? Er nimmt vielleicht hohe Kredite auf, beschafft sich Kapital an der Börse oder holt sich einen finanzkräftigen Teilhaber ins Boot. Nicht so Mirce Filiposki. Er verkauft sein Unternehmen. „Das ist für mich der beste Weg“, sagt er im Gespräch. Wie passt das zusammen?
Filiposki hat schon viel erreicht. Er war Leiter einer Rewe-Filiale, verkaufte bei BMW Autos, leitete eine Niederlassung eines großen Personaldienstleisters in Mainz und Darmstadt – und gründete 2005 eine eigene Zeitarbeitsfirma. Aus der sppdirekt wurde die Mainzer Myra Group, die dann, wie er stolz berichtet, zum „führenden Unternehmen der Branche im Rhein-Main-Gebiet“ aufstieg. 900 Zeitarbeiter hat er unter Vertrag. Filiposki ist 40 Jahre alt.
„Ich wollte etwas aufbauen. Mein Vater hat mir das vorgelebt“, sagt der Mainzer mit mazedonischen Wurzeln. Seine Eltern kamen in den 1970er Jahren mit einer Kiste an Habseligkeiten nach Deutschland. Der Vater, heute Rentner, startete mit nichts, arbeitete sich hoch, war Maschinenführer bei Schott.
Mit Myra hat Filiposki viel vor. 2016 legte er das „Projekt 2020 auf“, wonach sich der Umsatz bis dahin auf 100 Millionen Euro nahezu verfünffachen und die Zahl der Zeitarbeitnehmer auf 3500 steigen soll. Die Myra Group soll ein bundesweiter Champion werden. Nun hat er 70 Prozent der Anteile an die belgische Antonio Invest NV verkauft.
„Ich war als Unternehmer nicht ein einziges Jahr im Minus, habe nicht einen einzigen Euro Kredit aufgenommen“, sagt Filiposki. Er ist zwar noch recht jung, aber dennoch ein Vertreter der alten Schule. „‚Schulden sind schlecht‘ – mit diesen Worten meines Vaters bin ich groß geworden.“ Auch von der Börse hält er nicht viel: „Ich will wissen, in welche Hände mein Unternehmen kommt.“ Er musste eine Entscheidung treffen. „Ich wusste: So, wie ich mir das vorstelle, kann ich es alleine nicht schaffen.“
Auf der anderen Seite ist die Myra Group sein Lebenswerk. „Ich habe lange mit mir gerungen. Und nach wie vor gibt es Tage, an denen ich sehr traurig bin.“ Dass er sich dennoch für den Verkauf entschied, hat noch einen weiteren Grund. „Ich habe für das Unternehmen extrem viel geopfert. Es hat mein Leben bestimmt“, sagt er.
Mehr Zeit für die Familie und neue Projekte
Jetzt, finanziell unabhängig, will er loslassen, neue Projekte angehen, „die mir schon lange am Herzen liegen“. Und er will endlich mehr Zeit haben für Frau und Kinder.
Mit der Antonio Invest NV glaubt er, eine Firmenmutter gefunden zu haben, die nicht nur über die finanzielle Kraft für die Wachstumspläne verfügt, sondern sein Unternehmen auch in seinem Sinne weiterführt. Auch sein Glaube spielt eine Rolle. Er ist Vorstandsvorsitzender der makedonisch-orthodoxen Gemeinde in Mainz-Hechtsheim sowie Initiator, Hauptinvestor und Bauleiter der dortigen Kirche. Vor Myra arbeitete er bei einem anderen Personaldienstleister – und geriet dort in einen Gewissenskonflikt. „Ich kann nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen und fromm sein und montags Leute rausschmeißen, weil sie zu lange krank sind.“ Monatelang saß er an einem Konzept, wie ein Unternehmen aussehen könnte, „dass die Zeitarbeiter besser behandelt, sich um sie kümmert.“ Mit der Myra Group sieht er dieses Ziel erreicht: Sie soll die Zeitarbeiter im Alltag unterstützen und in den Betrieben vor Ort. „Wir kümmern uns zum Beispiel um die Urlaubsmeldung, aber auch um die Wohnungssuche, um Möbel oder Kindergeld.“ Das sprach sich schnell rum, die Myra Group wuchs schneller als der Markt. „Wir sind mit diesem Konzept ein Vorreiter.“
Auch seine geplanten Projekte haben eine soziale Komponente. So will er junge Firmengründer sowohl mit Kapital als auch Know how unterstützen. Und er hat in Nieder-Olm ein Areal gekauft, auf dem ein Bauprojekt entstehen. „Ich arbeite da eng mit der Stadt zusammen und richte es auch danach aus, was die Stadt braucht.“
QUELLE: ALLGEMEINE ZEITUNG