Das einzige EU-Land des Balkans, Kroatien, erhöht seine Einfuhrzölle gegenüber Drittstaaten. Damit trifft das Land vor allem seine Nachbarn. Diese reagieren vorderhand erst mit grossem Unmut, doch Schlimmeres droht.
Es braucht schon einiges, bis Serbien und Kosovo am gleichen Strang ziehen. Doch Kroatien hat es geschafft: Alle Länder des westlichen Balkans wehren sich gemeinsam gegen die Einfuhrhindernisse, die Zagreb zu Monatsbeginn aufstellte. Damit wird der Export von Obst und Gemüse aus den Nachbarländern massiv verteuert. Pro Lieferung und Sorte wurde die Kontrollgebühr von 12 € auf 270 € angehoben. Diese «protektionistische und populistische Massnahme», so der serbische Handelsminister Rasim Ljajic, könnten die Nachbarn nicht auf sich sitzenlassen.
Am Montag trafen sich die zuständigen Minister aus Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro und Serbien in Sarajevo, um Gegenmassnahmen zu beraten. Was herauskam, ist so etwas wie ein weiches Ultimatum. Sollte Zagreb binnen Wochenfrist die Regulierung nicht rückgängig machen, würden die Nachbarn Gegenmassnahmen ergreifen. Dabei werde jedes Land für sich über geeignete Schritte entscheiden. Ljajic betonte, niemand habe Interesse an einem Handelskrieg. Man sei aber gezwungen zu reagieren: Die neuen Tarife hätten keinen Zusammenhang mit den tatsächlichen Kosten der Kontrollen und stünden weit über dem EU-Durchschnitt. Ausserdem liege eine Verletzung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens vor, das die Westbalkan-Länder mit der EU abgeschlossen haben. Kroatien ist seit 2013 Unionsmitglied. In einem Schreiben an die Kommission riefen die in Sarajevo versammelten Minister Brüssel zur Intervention auf.
Die Reaktion aus Kroatien ist vorerst gelassen. Landwirtschaftsminister Tomislav Tolusic verteidigte die Massnahme, die dazu diene, die Qualität der Einfuhren zu verbessern. Sie richte sich auch nicht gegen die Nachbarn, sondern betreffe alle 168 Nicht-EU-Länder, die nach Kroatien exportierten. Er werde sich zu gegebener Zeit mit den Kollegen aus den Nachbarländern treffen, um die Lage zu diskutieren. In Belgrad lässt man die Erklärungen nicht gelten. Fast die Hälfte aller Importe aus Nicht-EU-Ländern beziehe Kroatien aus der Region, die also übermässig davon getroffen werde. Serbien hat bereits Gegenmassnahmen ergriffen und zieht die Warenkontrollen an der Grenze mit Kroatien in die Länge. Entsprechend, so Zeitungsberichte, verdürben dort ganze Ladungen von Früchten und Gemüse in der Hitze.
Dass Zagreb seine Position lange halten kann, ist unwahrscheinlich. Ökonomisch ergibt sie wenig Sinn, und rechtlich ist sie kaum mit den bestehenden Verträgen vereinbar. Zudem gibt es in der Region ein multinationales Agrobusiness, dem viel an einer schnellen und billigen Grenzabwicklung seiner Waren liegt. Auch haben alle Länder der Region, ausser Serbien, ein Handelsbilanzdefizit mit Kroatien – Retorsionsmassnahmen kämen der kroatischen Wirtschaft entsprechend ungelegen. Und schliesslich kollidiert Zagrebs Massnahme mit der in Brüssel geltenden Philosophie, dass die regionalen Wirtschaftsbeziehungen nicht nur ökonomisch, sondern auch sicherheitspolitisch von grosser Wichtigkeit seien.
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