Auf der Balkan-Konferenz in Dubrovnik im vergangenen Monat hatte sich die Bundeskanzlerin auch zum Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland geäußert, der die Integration Mazedoniens in die EU und die NATO blockiert. Was steckt hinter diesem Streit?
Mindestens seit dem Zerfall Jugoslawiens und der Unabhängigkeit Mazedoniens 1991 gibt es den Streit um den Namen der „Republik Mazedonien“. Griechenland erhebt mit Hinweis auf seine nördliche Provinz mit dem Namen Makedonien die alleinigen Nutzungsrechte auf diesen Namen. Nach griechischer Logik könne ein Staat Mazedonien Ansprüche auf die nordgriechische Region ableiten. In internationalen Organisationen tritt Mazedonien deshalb seither unter dem Namen „Former Yugoslav Republic of Macedonia“ (Fyrom) auf. Die Namensfrage bleibt damit jedoch ungeklärt und blockiert eine positive Entwicklung in der gesamten Region. Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass sich Angela Merkel bei der Balkan-Konferenz in Dubrovnik im vergangenen Monat zum Namensstreit geäußert und erneut Gespräche zu einer Lösung des Streits angemahnt hat. Das hatte sie allerdings auch bereits 2012 im Vorfeld des NATO-Gipfels in Chicago nach einem Treffen mit Ministerpräsident Gruevski getan – damals ohne jegliche Wirkung. Ihre Ankündigung, sich auch persönlich für eine Konfliktlösung einsetzen zu wollen, ist deshalb aus meiner Sicht viel wichtiger. Die Chance, das Thema erneut anzusprechen, hat sie in diesen Tagen, wenn sie die Regierungschefs und Außenminister der jugoslawischen Nachfolgestaaten und Albaniens in Berlin empfängt. Allerdings müssen Merkels wiederholten Ankündigungen nun unbedingt auch Taten folgen.
Die Bemühungen des UN-Sondervermittlers Matthew Nimetz haben augenscheinlich bislang zu keinem Ergebnis geführt. Wie kann Deutschland eine Lösung voranbringen?
Griechenland hat im Namensstreit eine völlig unbeirrbare Haltung. Dies musste ich im März während einer Delegationsreise mit dem Europaausschuss des Deutschen Bundestages nach Athen erneut erfahren. Dort habe ich ausdrücklich für Fortschritte im Erweiterungsprozess mit Mazedonien geworben. Obwohl auch von griechischer Seite betont wurde, dass man an einer Lösung des Streits interessiert sei, ließ man jedoch gleichzeitig keine Bereitschaft zu einer flexibleren Diskussion erkennen. Würde Angela Merkel den Namensstreit in Gesprächen mit der griechischen Regierung direkt ansprechen, hätte dies aus meiner Sicht möglicherweise großes Gewicht.
Wie stehen die Chancen auf einen Kompromiss?
Das Recht auf Selbstbestimmung der Menschen sollte geachtet werden. Dies gilt auch für Gefühle und Entscheidungen hinsichtlich der eigenen Identität und Nationalität. Außerdem sollten geschlossene Abkommen eingehalten werden. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat sich dazu bereits eindeutig geäußert.
Der Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland zieht sich bereits viel zu lange hin. Aus meiner Sicht ist es jedenfalls überfällig, dass Griechenland als langjähriges Mitglied der EU gerade für seine Nachbarn eine Vorbildfunktion übernimmt. Eine für beide Seiten befriedigende Kompromissformel kann bei gutem Willen gefunden werden und könnte sich förderlich auf die Entwicklung der ganzen Region auswirken. Nicht hinnehmbar wäre es deshalb aus meiner Sicht, wenn die mit dem Streit verbundenen nationalistischen Stimmungen zusätzlich auf irgendeine Art und Weise für innenpolitische Zwecke instrumentalisiert würden. Anstelle von Populismus sind Gespräche und Realismus gefragt: sowohl auf griechischer wie auf mazedonischer Seite. Auf mazedonischer Seite ist angesichts des derzeitigen Status Quo möglicherweise auch noch weitere Geduld notwendig. Es sei denn, der angekündigte Einsatz von Angela Merkel verhallt dieses Mal nicht so ungehört wie 2012.