20 Millionen für Werk in Veles - Marquardt will 2000 Arbeitsstellen besetzen


20 Millionen Euro für neue Autoteile
Marquardt produziert seit einem Jahr im mazedonischen Veles – Ziel: 2000 Mitarbeiter
Rund 20 Millionen Euro hat der Rietheimer Automobilzulieferer Marquardt in sein neues Werk im mazedonischen Veles investiert. Offiziell eröffnet wurde es am 7. Oktober des vergangenen Jahres im Beisein von Ministerpräsident Nikola Gruevski eröffnet. Die Produktion wurde bereits im Mai 2015 aufgenommen, also fast genau vor einem Jahr. Hier werden derzeit Teile für Daimler und Porsche gefertigt. Produktionslinien für weitere namhafte Autoproduzenten, etwa für Renault, VW oder Scania, sollen bald folgen.

160 Mitarbeiter sind aktuell im Werk in Veles angestellt, noch gibt es viele freie Produktions- und Lagerflächen. Mit Werksleiter Wolfgang Aicher kommt nur einer von ihnen aus Deutschland. Seit Januar 2015 steht er hier in der Verantwortung. Bis Anfang 2018, so ist der Plan, sollen rund 700 Menschen bei Marquardt in Veles einen Arbeitsplatz gefunden haben. Dann wäre das Werk ausgelastet und eine Erweiterung, die durch optionierte Flächen jederzeit möglich ist, stünde an. "Wir können die Fläche verdreifachen. Hier könnten dann 2000 Menschen arbeiten“, erklärt Aicher. Dennoch ist Marquardt schon auf der Suche nach weiteren Standorten weltweit: "Wir brauchen einen Vorlauf von etwa drei Jahren“, sagt Dr. Harald Marquardt, Sprecher der Geschäftsführung beim Automobilzulieferer.

Stefan Graf ist an diesem Mittwoch für ein Audit für Porsche im Marquardt-Werk in Veles. Die Produktion der Teile für den Autobauern kann erst beginnen, wenn das Unternehmen sein Go gegeben hat. "Ich bin ganz begeistert von dem Standort“, sagt Graf am Mittag. Sein Eindruck hat sich bis zum Nachmittag weiter verfestigt. Er ist mit seinem Team am Dienstag angekommen, am Donnerstag geht es zurück nach Stuttgart. Marquardt verlegt eine Produktionslinie für elektrische Teil für die Porsche-SUV von Rietheim nach Veles. Deswegen wird das Audit notwendig.

Arbeitsplätze in Deutschland
Laut Harald Marquardt,, stärkt die Verlagerung von Produktionslinien in Länder, in denen günstiger gearbeitet wird, die Standorte in Rietheim, in Böttingen und Trossingen. "Wir schaffen innerhalb des Marquardt-Verbundes zusätzliche Arbeitsplätze und generieren weitere in Deutschland“, sagt e. Der Beweis sei einfach zu erbringen: "In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Jobs in Deutschland tendenziell leicht angestiegen.“ Das läge auch an den Auslandsinvestitionen, wodurch Folgejobs in Rietheim geschaffen würden.

Blick in einen der Konferenzräume bei Marquardt in Veles
Die produzierte Ware wird Donnerstag mit dem Lkw auf den Weg nach Rietheim gebracht. Sie liegen am Montag für den Weiterversand bereit. Je zwei Rampen stehen in Veles für den Wareneingang und -ausgang zur Verfügung. 14000 Quadratmeter ist das Werksgelände groß, davon sind 6100 Quadratmeter für die Produktion reserviert. "Das ist das modernste Werk von Marquardt", sagt Harald Marquardt. Die Erfahrungen aus dem Standort-Aufbau der anderen ausländischen Werke, etwa im rumänischen Sibiu, seien bei der Planung eingeflossen.

Der Sprecher der Geschäftsführung prophezeit, dass deutsche Unternehmen, die nicht auch im Ausland produzieren, eine Stagnation erfahren würden. "Ohne eine Ausweichmöglichkeit müssen die Unternehmen Mitarbeiter entlassen, die Produktivität extrem steigern oder sich das Geld über die Lieferanten holen“, meint Harald Marquardt. Und eines sei klar: "Die Forderung an die Lieferanten durch die Automobilkonzerne geht bei den Preisen nur nach unten." So würde es dazu kommen, dass Geld für Innovationen fehlen würde. Das zeigt: Der Druck in der Branche ist immens.

Auch wenn die Preise in Mazedonien so langsam anziehen, ist sich Harald Marquardt sicher, dass die Region und seine neuen Mitarbeiter von der jüngsten Entwicklung des Landes profitieren werden. "In Rumänien haben wir vor zehn Jahren bei unserer dortigen Ansiedlung einen großen Parkplatz gebaut. Anfangs war er leer, heute haben wir dort ein Parkplatzproblem", sagt er. Am Mittwoch stehen auf dem Firmen-Parkplatz in Veles keine zehn Autos. Es gibt genug Fläche, um hier einer ganzen Schulklasse ohne Platzmangel das Fahrradfahren beizubringen. "In ein paar Jahren ist auch dieser Parkplatz voll", ist Marquardt überzeugt. Ein neuer VW Passat ist hier für rund 23 000 Euro zu bekommen - der Preis ist deutlich geringer als in Deutschland. Netto hätten die Mazedonier aber nur 400 bis 450 Euro pro Monat in der Tasche
Das Porsche-Audit-Team begutachtet den Produktionsprozess
Minister putzt Klinken
Einer, der die Hauptarbeit für die Ansiedlung von Marquardt in Mazedonien gehabt hat, ist Vele Samak, Minister für auswärtige Wirtschaftsbeziehungen. Seit der Wirtschaftskrise 2008/09 ist er laut eigener Aussage jährlich in Kontakt mit dem Automobilzulieferer getreten, um dem Unternehmen eine Ansiedlung in Mazedonien schmackhaft zu machen. Auch andere deutsche Unternehmen hat er bereits ins Land geholt, etwa den Kabelproduzent Dräxlmeier aus Vilsbiburg mit inzwischen 3000 Mitarbeitern.

"Das Investment von Marquardt ist ein besonderes Ereignis gewesen. Vor allem, weil die Stadt Veles wirtschaftliche Probleme hatte, ist das eine neue Seite in der Geschichte der Stadt“, sagt Samak. Es ging laut des Ministers darum, in Mazedonien den richtigen Standort zu finden, wo auch ausgebildete Arbeiter zu finden sind und die Nähe zu Hochschulen gegeben ist.

Für Marquardt war Mazedonien zu Beginn der Überlegungen nicht der ideale Standort. Im gespräch waren auch serbien und Bulgarien. Das hat sich aber durch die Überzeugungsarbeit von Samak geändert. Nun wird die Zukunft zeigen, ob die 20-Millionen-Euro-Investition auch Früchte tragen wird.

Die Stadt Veles
Im Rathaus der rund 55 000 Einwohner großen Stadt, die etwa 60 Kilometer von der Hauptstadt Skopje und 30 Kilometer vom Flughafen entfernt liegt, ist Bürgermeister Slavcho Chadiev ganz begeistert von der Marquardt-Ansiedlung: "An der Stelle war früher nur ein Hügel mit Agrarwirtschaft“, betont er. Marquardt gebe einen Impuls, damit Veles zu dem Standort der Industrie in Mazedonien werden könnte. Dafür habe die Kommune Geld für die Infrastruktur auf dem Grundstück in die Hand genommen. Der Staat hilft zudem mit geringen Steuerforderungen.

Die Stadt hat eine industrielle Geschichte, die nach dem Zusammenbruch von Jugoslawien im Jahr 2001 schwere Zeiten erlebt. Zuvor war Veles die drittwichtigste Industriestadt des Vielvölkerstaates. Doch das ist lange vorbei. "Marquardt kennt nicht nur in Veles, sondern auch in Skopje jeder“, sagt derweil Ivana Stojanoska, Finanz-Managerin bei Marquardt in Veles. So hat etwa der regionale Fernsehsender K1 einen achtminütigen Beitrag über das Unternehmen gebracht. Dieser soll bald auch landesweit ausgestrahlt werden.

Die Arbeitslosenquote lag vor wenigen Jahren noch bei 27 Prozent. Heute seien es laut Chadiev nur noch zwölf Prozent, woanders sind Zahlen von um die 20 Prozent zu hören. Ein Unterschied, aber trotzdem eine signifikante Verbesserung. Die Rückseite der Medaille: "Der Preis für den Bau eines Quadratmeters Wohnraum ist von 400 auf 750 Euro gestiegen“, berichtet Chadiev. Zum Vergleich: In Skopje sind es rund 1000 Euro.

Der Flug nach Mazedonien wurde von dem Automobilzulieferer Marquardt übernommen. Übernachtung und Rückflug erfolgten auf Kosten des Verlags.