Ein mazedonischer Ex-Minister, zuständig für Telekommunikation, steht auf der Payroll der Telekom Austria. Und wird nun auch befördert. Finanzminister Hans Jörg Schelling muss sich jetzt unangenehme Fragen gefallen lassen.
Plötzlich war er weg. Im Herbst 2011 ist Martin Walter noch sehr öffentlich als neuer Compliance-Manager der Telekom Austria präsentiert worden. Mit Jahresende 2016 hat er den Konzern verlassen, still und leise.
Vor fünf Jahren ist er geholt worden, um den skandalgebeutelten Konzern bei der Compliance, also bei den Benimm-Regeln, auf Vordermann zu bringen. Die Telekom lobte damals via Presseaussendung Martin Walters Expertise: Die Modernisierung des Compliance Managements sei eine „wesentliche Maßnahme zur Sicherstellung sauberer Geschäfte“. Alles wird gut, lautete also die Devise des Konzerns, der gerade wegen des handfesten Skandals rund um mutmaßliche Parteispenden und gelebter Symbiose mit der Politik ins Mark getroffen worden war.
Jetzt ist Walter gegangen. Aus „persönlichen Gründen“, wie eine Konzernsprecherin und auch er selbst der „Presse“ erklären. Das leuchtet auch durchaus ein: Martin Walter ist Deutscher, und es zieht ihn offenbar wieder in seine Heimat.
Außerdem soll er sich mit Telekom-Chef Alejandro Plater eher nicht so gut verstanden haben. So etwas kommt vor: Plater hatte ihn ja auch nicht in den Konzern geholt – und es wäre nicht das erste Mal, dass die Chemie zwischen einem neuen Chef und einem verdienten Mitarbeiter nicht stimmt. Im Konzern wird allerdings berichtet, dass es im Laufe des vergangenen Jahres auch handfeste Diskussionen zwischen dem Telekom-Chef und seinem Compliance Officer gegeben habe. Es ging dabei um die Bestellung eines neuen Mitarbeiters.
Der ist seit dem 1. September 2016 in Amt und Würden. Seine offizielle Funktion: Leiter der International Regulatory & European Affairs der Telekom Austria. Auf gut Deutsch: Seit September 2016 hat die Telekom Austria einen neuen Lobbyisten auf ihrer Payroll. Es ist Ivo Ivanovski, ehemaliger Minister in Mazedonien, seinerzeit zuständig für Informations- und Kommunikationstechnologie. Und Plater hat mit ihm Großes vor: Am Freitag teilte er den Telekom-Mitarbeitern mit, dass Ivanovski zusätzlich den Bereich Mergers & Acquisitions für den Konzern leiten wird.
Ex-Minister, 38 Jahre jung
Ivanovski, 38 Jahre jung, war bis 2015 Minister in seiner Heimat. Und irgendwie dürfte der Mexikaner Carlos Slim einen Narren an ihm gefressen haben. 2013 berichteten jedenfalls mazedonische Medien ganz aufgeregt, dass Slim, einer der reichsten Männer der Welt, bei Ivanovskis Hochzeit zu Gast war.
Carlos Slim ist wiederum Mehrheitseigentümer des América Móvil-Konzerns. Dieser Konzern wiederum hält die Mehrheit der Anteile an der Telekom Austria. Und die Telekom Austria wiederum ist in Mazedonien höchst aktiv: 2007 gründete sie dort den Mobilfunkanbieter Vip operator. 2014 folgte der Beschluss, Vip mit One zu fusionieren, einer mazedonischen Tochter der Slowenischen Telekom. Das fusionierte Unternehmen ist am Mobilfunkmarkt in Mazedonien Marktführer – und die Österreicher halten an ihm über 50 Prozent.
Die Telekom Austria hatte in den vergangenen Jahren viel mit dem in Mazedonien zuständigen Minister zu tun, und vice versa. Und so kam es, dass Ivo Ivanovski 2015, anlässlich seines Ausscheidens aus der Politik, auch gleich in einer Pressekonferenz kundtat: Er werden in einen großen Telekommunikationskonzern wechseln.
Tatsächlich war er sogleich für América Móvil in Brüssel tätig – als Chef von Governmental & Regulatory Affairs für den Europäischen Raum. Seit September 2016 macht er den Job für die Telekom Austria. Angeblich war Telekom-Chef Plater davon wenig erbaut, doch Carlos Slim sprach halt ein Machtwort.
Schwamm drüber, Compliance-Chef Walter hat mittlerweile eh den Konzern verlassen. Dafür hat die Sache nun ein politisches Nachspiel. Und plötzlich ist ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling mit unangenehmen Fragen konfrontiert.
Dies deshalb, weil die Telekom Austria immer noch zu 28,42 Prozent der Staatsholding Öbib gehört. Und deren Eigentümervertreter ist eben Hans Jörg Schelling.
Also hat die Grüne Nationalratsabgeordnete Gabriela Moser nun eine parlamentarische Anfrage eingebracht. Sie will unter anderem von Schelling wissen, ob in der Telekom Austria Compliance-Regeln eine Rolle spielen. Und ob Vertreter der Öbib im Telekom-Aufsichtsrat auf die Einhaltung einer Cool-off-Phase für Ivanovski gedrängt haben. Immerhin sei der Eintritt des Ex-Ministers, der auch noch in Mazedonien für die Telekommunikation zuständig war, ohne entsprechende Zwischenphase (Cooling off) erfolgt. In der Anfrage Mosers heißt es, dass es wohl im Interesse des Telekom-Minderheitseigentümers, der Republik Österreich, liege, dass im Konzern „europäische Compliance-Standards gelten“. Zumal in einem Konzern mit einigermaßen belasteter Vorgeschichte.
Keine EU-Regeln
Das hat was – allerdings mit Einschränkungen: Denn in der EU hat sich ausschließlich die Europäische Kommission solch strenge Cooling-off-Regeln verpasst. Demnach dürfen Kommissare nach ihrem Ausscheiden nicht nahtlos in ein Unternehmen desselben Bereiches wechseln. Franz Fiedler, einst Rechnungshofpräsident und nunmehr Ehrenpräsident von Transparency International in Österreich, würde sich solche Regelung auch für nationale Politiker wünschen. „Ich hielte ein dreijähriges Cooling off für angemessen“, sagt er.
Derzeit gebe es auch in den anderen EU-Ländern keine entsprechende gesetzliche Regelung. „Was nichts daran ändert“, so Fiedler, „dass der nahtlose Wechsel eines Politikers in ein Unternehmen, das zu seinem Zuständigkeitsbereich gehörte, keinen schlanken Fuß macht.“
Das aktuelle Beispiel Telekom-Ivanovski ist für Fiedler „ein klassischer Fall“: „Wäre Ivanovski beispielsweise Sportminister gewesen, würde die Sache anders aussehen. Da er aber für Telekommunikation zuständig war, handelt es sich um einen Fall, der nicht stattfinden sollte.“ Trotzdem gerne da und dort stattfindet, wie der Wechsel der Wiener SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely zur Siemens-Gesundheitssparte recht anschaulich demonstriert.
Rechnungshof soll mehr dürfen
Gabriela Moser will die Angelegenheit überhaupt zum Anlass nehmen, eine langjährige Forderung wieder zu beleben. Nämlich jene, dass der Rechnungshof mehr Prüfungskompetenzen erhält. Derzeit darf er nur Unternehmen kontrollieren, an denen die öffentliche Hand mindestens 50 Prozent der Anteile hält. Dort, wo bloß eine Sperrminorität gehalten wird, wie bei der Telekom Austria, hat der Rechnungshof nichts verloren. „Wir fordern die Ausweitung der Prüfkompetenz schon seit Jahrzehnten“, klagt Moser, „aber die Regierungsparteien verhindern effektive Kontrolle.“
Hätte man ihr Gehör geschenkt, davon ist sie überzeugt, hätte der Telekom-Skandal „bereits im Anfangsstadium“ aufgedeckt werden können.
Und Martin Walter hätte sich seinen Aufenthalt in Österreich wohl überhaupt erspart.