Wölfe heulen zu hören, ist in Mazedonien nicht so verwunderlich, aber wenn das Wolfsgeheul mitten aus dem Dorf kommt, reagieren die meisten Menschen mit Angst und Panik. Dabei sind Ali, Alek und Luna, die auf diese Weise ihre Zugehörigkeit zum Rudel, besser gesagt zur Familie Ismail lautstark zum Ausdruck bringen, im wortwörtlichen Sinne handzahm. Vor zwei Jahre haben Fadil Ismail und seine Frau in dem kleinen Dorf Leshok im Nordwesten Mazedoniens die Wölfe aufgenommen. Sie haben ihre Angst vor wilden Tieren mit Liebe überwunden und ihre Zuneigung mit dem Respekt, den sie ihnen entgegenbringen, verdient.
„Ich weiß ganz genau, was sie wollen. Wenn ich will, dass sie mich respektieren, dann muss ich auch sie respektieren – gegenseitiger Respekt. Ich habe sie alleine erzogen und trainiert, wie meine eigenen Kinder. Ich habe sie so erzogen, dass sie ein Teil der Familie werden und auch mit uns zusammen leben. So unterscheiden sie sich von den wilden Wölfen“, erklärt Fadil. Aber er bleibt stets achtsam und vorsichtig. So hat er auch mich vorher gefragt, ob ich Angst hätte, oder mich trauen würde, mitten unter die Wölfe zu gehen. Mutig versicherte ich, keine Angst zu haben, bat aber dann doch seine Frau, die Wölfe möglichst weit weg von mir zu halten. Eine Schrecksekunde galt es zu überstehen. Die Wölfe kamen alle auf mich zu, beschnüffelten mich neugierig, leckten meine Hand und dann – so wie Fadil es auch vorhergesagt hatte – verloren sie ihr Interesse an mir und liefen herumtollend in ihre Ecke. Mir war es nur recht.
Fadil hat erst zwei Wölfe gekauft und die haben dann noch vier Junge bekommen. Aber 6 Wölfe waren dann doch ein zu großes Rudel und so gab er zwei von ihnen schweren Herzens an einen Freund ab, von dem er weiß, dass er sich ebenso liebevoll und verantwortungsbewusst um die Tiere kümmert. Vor zwei Monaten haben Nachbarn die Wölfin Maja erschossen. „Wölfe haben einen schlechten Ruf und Menschen haben Angst, von ihnen angefallen und gefressen zu werden – es gibt so viele unsinnige Geschichten“, schüttelt Fadil den Kopf. „Ich habe nur gute Erfahrungen mit den Wölfen gemacht und sie sind ehrlicher und intelligenter als Hunde. Meine Wölfe haben nie Probleme gemacht, weder jemanden angegriffen, geschweige denn gebissen! Sie haben keinem Menschen etwas getan. Aber die Angst im Menschen sitzt tief. So haben sie dann vollkommen grundlos meine Wölfin erschossen.“
Am Anfang hatte auch seine Frau Hasija große Angst, sich den Wölfen zu nähern, aber jetzt kümmert sie sich um sie wie um ihre eigenen Kinder. Auch Freunde und die nächsten Nachbarn haben sich an die Wölfe gewöhnt und die Wölfe an sie. “Das einzige Problem sind die Kinder aus dem Nachbardorf, die die Wölfe ärgern und provozieren. Sie wissen nicht, dass Wölfe ein außerordentliches Gedächtnis haben und ziemlich nachtragend sein können. Wenn sie sauer auf uns sind und sich rächen wollen, dann vergraben sie meine Schuhe, oder randalieren in Hasijas Blumenbeeten“, erzählt Fadil mit einem Lächeln.
27 Jahre lang hat Fadil Ismail in der Schweiz gearbeitet. Jahrelang hat er jedes Wochenende vor dem Wolfsgehege im Schweizer Zoo verbracht, die Tiere beobachtet, geträumt und Pläne geschmiedet. Und dann war der Augenblick plötzlich gekommen. Er las in der Zeitung, dass in Mailand Wölfe verkauft werden. Der Preis: 1.200 bis 5.000 Schweizer Franken. Er kaufte das Wolfspaar Alek und Maja und wollte mit ihnen in Mazedonien leben. Aber bevor er die Wölfe kaufen konnte, musste er in Italien einen einmonatigen Kurs belegen. Danach führte er einen langwierigen Papierkrieg mit der mazedonischen Zollbehörde, um die Tiere einführen zu dürfen und ebenso problematisch war es, von den zuständigen Ämtern eine Genehmigung für die Haltung der Wölfe zu bekommen. Aber Fadil blieb hartnäckig und hat jetzt auch Verständnis dafür, dass es nicht so einfach ist, Wölfe halten zu dürfen. „Es ist unglaublich, mir werden Riesensummen geboten, die Wölfe zu verkaufen. Aber das kommt für mich überhaupt nicht in Frage“, versichert Fadil. Denn meistens sind es Tierliebhaber der besonderen Art, die solche Angebote machen. Besitzer von Kampfhunden bieten ihm mehrere Tausend Euro alleine dafür, dass er seine Wölfe gegen ihre Hunde antreten lässt. Für so was hat Fadil nur Verachtung übrig.