Ich wünsche mir Weiterentwicklung – in mir sind viele Facetten
Drei große Koffer voller Bücher gehörten zu ihrem Gepäck, als Leni Donceva im Jahr 2000 der Liebe wegen von Mazedonien nach Deutschland übersiedelte. Ein Jahr vorher verliebte sie sich in Toni, einen jungen Mann aus Bad Hersfeld mit mazedonischen Wurzeln, während eines Urlaubs in Bulgarien. Für eine gemeinsame Zukunft verließ die damalige Studentin, die an der Universität in Skopje Kunstgeschichte und Archäologie studierte, ihr Heimatland. Fortan vertiefte sie sich in Bad Hersfeld in die Bücher, die für ihre Studiengänge von Bedeutung waren. Mehrfaches Pendeln zwischen den beiden Ländern ermöglichten ihr letztendlich einen erfolgreichen Abschluss ihres Studiums mit Diplom.
"Schon als Kind wollte ich Archäologin werden“, erzählt die 39-Jährige. Die junge Leni begeisterte sich für entsprechende Doku-Reportagen, die sich mit der Erforschung alter Kulturen und dem Ausgraben von Relikten der Vorfahren befassten und damit neue Erkenntnisse über die Geschichte der Menschen sammelten. "Jedes Land ist ein Glied in einer Kette, die sich zu einer gemeinsamen Weltkultur verbindet“, ist sich Leni Donceva sicher, die dennoch eine metaphysische Beziehung zu der Kultur und den kunstgeschichtlichen Schätzen ihres Heimatlandes aufgebaut hat.
Neben den Ausgrabungen der Antike und den Moscheen der Türkenzeit sind es vor allem die mittelalterlichen Fresken und Ikonen in Kirchen, Klöstern und Museen, die der Kunstlandschaft Mazedoniens ihren hohen Rang in der Welt verschaffen und über die Leni Donceva voller Stolz erzählt. Gern erinnert sie sich an ihre Teilnahme an archäologischen Ausgrabungen am Fundort der Skulptur der "Großen Mutter“, die als Reproduktion in vielfacher Ausfertigung ein Blickfang in ihrem geschmackvollen Zuhause ist.
Leni Donceva, die in Skopje, der Hauptstadt Mazedoniens, geboren und aufgewachsen ist, musste sich vor 17 Jahren nicht nur an das kleinstädtische Leben in Bad Hersfeld gewöhnen, sondern vor allem die deutsche Sprache erlernen. Ihre englischen Sprachkenntnisse und auch Latein waren dabei hilfreich. "Ich habe durch Kommunikation die deutsche Sprache gelernt und dadurch Kontakt zu vielen lieben Menschen aufgebaut und Freundschaften geschlossen. Ich fühle mich hier heimisch“, erzählt Leni Donceva, der es überaus wichtig war, sich zu sozialisieren, um ein Teil der Gesellschaft zu sein.
Vor 2013 hatte sie dennoch keinen Mut, sich wegen ihrer vermeintlich nicht ausreichenden Sprachkenntnisse beruflich zu orientieren, was schmerzhaft für sie war. Ihr Leben war als Ehefrau und Mutter ihrer Söhne David und Damjan, vielen gemeinschaftlichen Aktivitäten und eigener Interessen zwar erfüllt, aber für Leni Donceva persönlich war es eine "Wiedergeburt“, als sie vor vier Jahren von der Stadt Bad Hersfeld als Museumspädagogin eingestellt wurde und endlich wieder "Kultur aktiv“ sein konnte. Seitdem ist sie für die Organisation und Durchführung von Workshops in zeitgenössischer, moderner Art und die didaktische Kunstvermittlung zuständig. Ihr ist es sehr wichtig, Menschen aller Altersklassen, besonders aber Kindergruppen und Familien zu inspirieren, sich mit der eigenen Kultur zu befassen. Aus diesem Anspruch heraus bewirbt sie höchstpersönlich in den örtlichen Schulen das Angebot im städtischen Museum im Stift.
Die Weihnachtskrippen- und Spielzeugausstellungen, die hoch gelobte Ausstellung "Einfälle für Abfälle“ und viele mehr, die allesamt gut angenommen wurden, hat sie bisher begleitet. Als Archäologin besitzt sie die Gabe, alles zu beobachten und zu analysieren. "Aus jeder Kleinigkeit kann sich eine große Geschichte entwickeln“. Somit bereicherte sie die Mitmach-Ausstellung "Finde den Täter“ nach den erfolgreichen Kinderbüchern von Julian Press mit einer besonderen Zusatzaufgabe für die großen und kleinen Detektive. Sie mussten an der Außenwand der Stiftsruine ein Graffiti aus dem 19. Jahrhundert finden, das die Museumspädagogin mit geschultem Auge vorab entdeckt hat.
"Das ist alles erst der Anfang“, versichert Leni Donceva und verweist auf die geplante Kinderausstellung im Herbst dieses Jahres, die sie wie immer in enger Zusammenarbeit mit Reinhold Schott, dem Kulturbeauftragten der Stadt, strukturieren und begleiten wird, wobei ihr auch das Miteinander mit ihren Kolleginnen und Kollegen am Herzen liegt. Im Museum im Stift wird Stadt- und Stiftsgeschichte mit vielen gezeigten Exponaten lebendig. Die Galerie im Stift im Dachgeschoss und der Kapitelsaal im Erdgeschoss locken zudem mit ständig wechselnden Ausstellungen zahlreiche Besucher. In dem Gebäude hat die Dauerausstellung "Die große Faszination – Bad Hersfelder Festspiele seit 1951“ ihren endgültigen Platz gefunden.
Leni Donceva ist auch Mitglied im örtlichen "Förderverein Museum“, der in dem Gebäude der ehemaligen "Braun´schen Tuchfabrik“ in Bad Hersfeld ein museumspädagogisches Zentrum eingerichtet hat. Hier wird unter dem Titel "Alte Tuchfabrik – Alltagskultur erleben“ Kindern und Jugendlichen ermöglicht, sich mit dem Alltag früherer Generationen auseinanderzusetzen und selbst Hand anzulegen. Eine Fundgrube für Leni Donceva als kreative Museumspädagogin, die die intensive Zusammenarbeit mit Bertold Schmidt als Vorsitzendem des Vereins und allen Mitgliedern sehr schätzt.
Ihr Arbeitsplatz grenzt an die Stiftsruine, in die sich Leni Donceva beim ersten Anblick verliebt hat. "Ich habe mich sofort wie in Mazedonien gefühlt, denn die Architektur gleicht den Basiliken in meiner Heimat sehr“. Auch die Festspielzeit genießt sie, denn dann kann sie in Erinnerungen an das Theaterfestival in Skopje schwelgen mit einer Einschränkung: "Das dortige Avantgarde-Theater vermisse ich ein wenig“. Das ist die echte Leni, für die ohne Leidenschaft und Liebe nichts funktionieren kann. "In mir sind viele Facetten erkennbar, gepaart mit Ästhetik und Perfektion“.
Als Designerin und Ideengeberin hat sie an einem Kunstobjekt in der City-Galerie zu dem Festspielstück "Don Quichotte“ und am Schaufensterkonzept zu den "Sommernachtsträumereien“ mitgewirkt. Ihrer Aufmerksamkeit und Initiative ist es zu verdanken, dass Frei Otto, der Konstrukteur des wandelbaren Zeltdaches über den Innenraum der Stiftsruine, nach über 50 Jahren mit Gedenktafeln an beiden Seiten der Stiftsruine geehrt wurde. "Mein Beruf ist niemals Routine“, bekräftigt sie und freut sich darüber, denn sie wünscht sich stetige Weiterentwicklung.
(Gudrun Schmidl) +++ http://osthessen-news.de