Filip Mirkulovski hat sich als Spielmacher bei der HSG Wetzlar etabliert. In Mazedonien ist er so bekannt wie Ivano Balic in Kroatien.
Fragt man bei der HSG Wetzlar nach Filip Mirkulovski, geraten alle ins Schwärmen. Der Spielmacher des Handball-Bundesligisten wird innerhalb des Vereins hoch geschätzt. Der Mazedonier spielt seine zweite Saison bei den Grün-Weißen und ist zum Kopf der Mannschaft gereift. Anfangs mit der Last der Balic-Nachfolge und von Verletzungen geplagt, blüht der 33-Jährige in dieser Saison auf. Platz sechs in der Liga und ein hohes Standing innerhalb des Vereins sind der Lohn.
»Er ist der wohl am meisten unterschätzte Spieler in unserem Kader, zumindest wenn es darum geht, was die Öffentlichkeit über ihn denkt«, erklärte HSG-Geschäftsführer Björn Seipp. Mitspieler Maximilian Holst und 78er-Weltmeister Horst Spengler stoßen ins gleiche Horn. »Er ist ein absoluter Teamplayer, der eine hohe Spielauffassungsgabe hat. Er ist sehr gut in der Lage, seine Mitspieler einzusetzen und er ist von Jahr zu Jahr besser geworden«, lobt Spengler und Holst ergänzt: »Er macht viel für die Halbpositionen, hat das Spiel unter Kontrolle und ist sehr abgezockt. Deshalb fällt das nicht so auf, weil er viel für die anderen spielt und wenig für sich selbst. Auch in der Abwehr fängt er intuitiv viele Bälle ab, weil er ein gutes Raumgefühl hat. Bei ihm merkt man die typisch jugoslawische Handballschule, alles sehr intuitiv und in der Kleingruppe. Er hat einfach ein gutes Gefühl, Handball zu spielen.«
Mit 13 Jahren begann seine Handballkarriere in seiner Heimatstadt Skopje, nachdem er es vorher mit Basketball probiert hatte. Die Leidenschaft für den größeren Ball und die großen amerikanischen Sportarten ist geblieben. »Manchmal schaue ich bis morgens um fünf Uhr, bringe die Kinder in den Kindergarten und schlafe dann«, schmunzelt Mirkulovski, dessen Vorbild Michael Jordan ist. Seit 2003, mit Ausnahme der Saison 2004/05, als er für Mladost Bogdanci spielte, lief er für RK Metallurg Skopje auf. Mit »seinem« Verein gewann er sechsmal die mazedonische Meisterschaft und fünfmal den Pokal, spielte in allen europäischen Wettbewerben.
Wegen finanzieller Schwierigkeiten bei Metalurg landete Mirkulovski im Februar 2015 beim TSV Hannover-Burgdorf. »Man hätte ihn sonst vermutlich nie aus seiner Heimat weggelockt«, erinnerte sich Seipp. »Er ist unheimlich stolz auf sein Land und seinen Verein, in dem er groß geworden ist. Hannover war dann nur eine Zwischenstation. Wir hatten da auch schon ein Auge auf ihn geworfen.«
In Mazedonien ist Mirkulovski ein Star, wie Ivano Balic in Kroatien. Auch dort ist Handball ein sehr populärer Sport. »Der kann in Skopje nicht über die Straße gehen, ohne dass er erkannt wird. Sprich mal mit seinen mazedonischen Mitspielern. Wenn Filip was sagt, stehen die alle stramm«, schmunzelt Seipp. Seit vielen Jahren ist er fester Bestandteil der Nationalmannschaft seines Landes und belegte bei der Europameisterschaft 2012 den fünften Platz. »Was mir auffällt, wenn er für die Nationalmannschaft von Mazedonien spielt, kann er, wie viele andere auch, noch mal zehn Prozent mehr rauskitzeln«, weiß Spengler. »Er spielt unwahrscheinlich gern für sein Land. Er könnte jetzt im gehobenen Sportleralter sagen, ich schone mich für die Bundesliga, damit ich da vielleicht noch ein, zwei Jahre länger spielen kann. Das gibt es nicht. Er ist für sein Land mit Herz und Leidenschaft dabei und das zeigt er auch bei der HSG Wetzlar.« Sein großes Ziel ist die EM 2018. »Wenn wir uns qualifizieren, ich gesund bin und gut in Form, möchte ich in Kroatien spielen. Und dann ist im Nationalteam Schluss.«
Der Familienmensch ist, zusammen mit Abwehrchef Evars Klesniks, der Kopf des Wetzlarer Teams. »Der klassische Leader ist er nicht«, sagt Holst. »Darunter versteht man jemanden, der sehr viel Emotionen reinbringt, die Mannschaft ein bisschen aggressiv führt. Er ist eher der taktische Leader, gibt die Sachen vor, die wir spielen. Sorgt dafür, dass alle im taktischen Plan bleiben. Das ist genauso wichtig wie ein emotionaler Leader.« Deshalb hat man in Wetzlar alles daran gesetzt, Mirkulovski zu halten. Zudem wird von vielen Menschen nicht wahrgenommen, was er hinter den Kulissen für die Mannschaft tut. Er hilft mit, Spieler wie Benjamin Buric oder Stefan Cavor zu integrieren. »Das ist unbezahlbar«, so Seipp.
Generell ist Mirkulovski ein ruhiger Zeitgenosse. Das kommt ihm vor allem auch auf dem Spielfeld zugute, weil er in heißen Situationen meistens kühlen Kopf behält. Der Stratege spielt gut Eins-gegen-Eins, setzt die Halbpositionen und den Kreisläufer in Szene. Er ist im Training und im Spiel immer voll dabei, lässt sich nie hängen und schon gar nicht von Verletzungen stoppen.
Das weiß auch Holst: »Er ist bei einem offiziellen Testspiel mal jemandem auf den Fuß getreten. Auf der Bank habe ich ihn gefragt, ob alles in Ordnung wäre. Ja ja, meinte er nur und hat die Halbzeit zu Ende gespielt. Später kam heraus, dass er sich ein Band gerissen hatte. Das ist eine enorme Charakterstärke und beschreibt ihn ganz gut. Er will einfach spielen und ist nicht der Typ, der dann ein, zwei Wochen länger Pause braucht.«
Mirkulovski würde seinen Körper niemals schonen, will lieber der Mannschaft helfen. Er ist Profi durch und durch, ist grundsätzlich topfit und kennt seinen Körper, wie kein anderer. »Ich spiele, um zu gewinnen«, sagt er selbst. »Ich mache alles für meine Mannschaft. Ich will zuerst meine Kollegen einsetzen und dann erst das Tor machen.« So wird er von Trainer Kai Wandschneider eingesetzt und geschätzt.
Die Wetzlarer Fans vergleicht Mirkulovski mit denen in Skopje. »Die sind sehr wichtig und die besten in Deutschland. Wir brauchen diese Fans. Ohne sie wären wir vielleicht nur auf dem zehnten Platz. Unsere Fans sind der achte Spieler, das gibt zusätzlich Adrenalin.
»Darüber hinaus ist er auch als Mensch ein unheimlich sympathischer, aufrechter Charakter, der immer sein Bestes gibt und immer bis an seine Grenze geht. Ich bin ein Fan von ihm«, schwärmt Spengler. In seiner Freizeit ist Mirkulovski mit seiner Familie viel unterwegs. »Ich kenne kaum einen Spieler, der sich in seiner Freizeit in unserer Region und darüber hinaus so viele Dinge anschaut. Toller Typ, toller Mensch, toller Handballer«, ist auch Seipp begeistert.
Seiner Leidenschaft Playstation kann der zweifache Familienvater nun weniger nachgehen. »Dafür bleibt nicht mehr viel Zeit, es gibt zu Hause viel Arbeit«, schmunzelt er. »Er spielt wirklich gut«, lacht Holst. »Beim Eishockey auf der Playstation habe ich ab und zu mal richtig auf den Sack bekommen.«
Mirkulovski will noch zwei, drei Jahre Handball spielen. »Danach habe ich noch keinen Plan«, lacht er. »Wahrscheinlich zurück nach Hause, vielleicht werde ich Trainer, mal gucken.« Mit seiner offenen, sympathischen Art hat Mirkulovski viele Freunde in Mittelhessen gewonnen. Für das Mannschaftsspiel der Grün-Weißen ist er wertvoller denn je. »Ich kann nur den Hut vor ihm ziehen, was er menschlich und sportlich für die HSG Wetzlar bringt«, verneigt sich Spengler und auch Seipp sagt: »Wir schätzen Filip unglaublich. Man muss vor ihm einfach den Hut ziehen.«
QUELLE: Gießener Allgemeine Zeitung