Wiener Zeitung: Kampf um Skopje


Die Kommunalwahlen am Sonntag sind ein erster Test für die neue mazedonische Regierung.

Skopje. Aleksandar Saveski, 25, krauses Haar, schlank, sportlich, rote Windjacke, Rucksack, von Beruf Grafikdesigner, hält seine Kamera fest in der rechten Hand. Die Dämmerung bricht schon an, seine heutige Fototour in der immerzu pulsierenden Innenstadt Skopjes hat Saveski gerade beendet. "Ich fotografiere hier schon seit Jahren. Immer wieder finde ich neue Motive", sagt er.

Das Straßenbild der mazedonischen Hauptstadt prägen derzeit riesige Plakate von Politikern. Denn: Am Sonntag stehen Kommunalwahlen an. Sie sind wegweisend für das Land. Besser: Sie sind der erste wirkliche Test für die neue Regierung in Skopje.

Die von Korruptions- und Abhörskandalen gebeutelte nationalkonservative VMRO-DPMNE, die unter Ex-Premier Nikola Gruevski Mazedonien eine Dekade lang mit eiserner Hand regiert hatte, wurde im Juni nach einer chronischen politischen Krise, Massendemonstrationen und Ausschreitungen von einer neuen Regierungskoalition aus Sozialdemokraten und albanischen Parteien unter Ministerpräsident Zoran Zaev abgelöst.

Dessen Kabinett, das nur über eine hauchdünne Mehrheit von 62 Abgeordneten im 120 Sitze umfassenden Parlament in Skopje verfügt, hat in den ersten Wochen nach dem Machtwechsel ein ambitioniertes Reformprogramm verabschiedet. Ganz oben auf der Agenda: der Kampf gegen Korruption, die Etablierung von Rechtsstaatlichkeit auf allen Ebenen, die Stärkung der Rechte aller Volksgruppen im Vielvölkerstaat.

Das Credo: Toleranz und Respekt statt Angst, Einschüchterung und Konfrontation. Das hehre Ziel: der Beitritt zur NATO und der EU.

Sollte aber die VMRO-DPMNE bei den Kommunalwahlen die Oberhand behalten, könnte der Regierung Zaev abrupt die Puste ausgehen. Sogar vorgezogene Neuwahlen seien dann nicht auszuschließen, meinen Experten. In dem ohnehin fragilen Polit-Betrieb in Mazedonien hieße das leicht: Neue Turbulenzen drohen.


Werben um Albaner


Für die Kommunalwahlen ist Mazedonien in 81 Gemeinden aufgeteilt. Das Augenmerk liegt auf dem Rennen um das Bürgermeisteramt in Skopje. Hier lebt ein Drittel der Bevölkerung Mazedoniens mit seinen etwa zwei Millionen Einwohnern.

In Skopje stehen acht Bürgermeisterkandidaten zur Wahl. Reelle Chancen auf einen Sieg haben aber nur zwei: Koce Trajanovski, ein VMRO-Hardliner, der zum dritten Mal zum Stadtoberhaupt gekürt werden will, und Petre Silegov von der sozialdemokratischen SDSM. Was beide Kontrahenten eint: Sie buhlen um die albanischen Wähler. Die Albaner stellen immerhin rund ein Viertel der Landesbevölkerung.

Ausgerechnet die VMRO-DPMNE vollzieht hier eine spektakuläre Kehrtwende. Warf sie im Wahlkampf für die vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember 2016 den Sozialdemokraten noch vor, sich den Forderungen der albanischen Volksgruppe zu ergeben, hat Bürgermeister Trajanovski nun sogar einen albanischen Politiker als Stadtrat eingesetzt.

Der Sozialdemokrat Silegov wiederum hat sich in Skopje die Unterstützung der stärksten Albanerpartei DUI gesichert. Diese wechselte im Mai auf nationaler Ebene die Seiten, indem sie ihr Bündnis mit der VMRO-DPMNE beendete und eine Regierungskoalition mit der SDSM einging.

Als Gegenleistung für die Unterstützung in Skopje haben die Sozialdemokraten zugesagt, DUI-Kandidaten in mehreren hauptsächlich albanischen Städten wie Tetovo, Gostivar und Debar zu unterstützen. "Wir werden Skopje gemeinsam bauen - für alle, so wie wir begonnen haben, Mazedonien zu bauen", erklärt Silegov.

Aleksandar Saveski, der passionierte Fotograf, hat jedenfalls seine Entscheidung getroffen: "Ich wollte diesmal die Sozialdemokraten wählen, zumal auf Regierungsebene ein Machtwechsel stattgefunden hat, den ich befürworte." Dennoch werde er wieder für Koce Trajanovski stimmen. Warum? "Ich bin auch ein begeisterter Fahrradfahrer. Trajanovski hat viel für uns getan: Sehen Sie die ganzen Fahrradwege hier."


QUELLE: WIENER ZEITUNG