Der Standard: Treffen in Wien brachte Fortschritt, aber keine Lösung im Namensstreit um Mazedonien


"Obermazedonien" oder "Nordmazedonien", mit Verfassungsänderung oder ohne: Der griechische Außenminister Nikos Kotzias und sein mazedonischer Kollege Nikola Dimitrov haben sich am Karfreitag in ein Zimmer des Außenministeriums in Wien eingeschlossen, um bei ihren Verhandlungen über eine Beilegung des Namensstreits ein deutliches Stück voranzukommen. 

Die beiden Außenminister dankten ihrer österreichischen Kollegin Karin Kneissl für die Aufnahme. Mit dabei ist auch Matthew Nimetz, der am längsten dienende Sondergesandte der Vereinten Nationen. Nimetz, ein US-amerikanischer Jurist, vermittelt seit 1994 zwischen Griechenland und der Früheren Jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM), wie der Balkanstaat offiziell heißt. Er soll nun aus beiden Vorschlägen ein gemeinsames Kompromisspapier erarbeiten. Am Freitag jedenfalls gab er sich nach den Gesprächen zuversichtlich: Zwar gebe es noch keine Lösung, aber man sei sich näher gekommen. 

Griechenland lehnt bisher die offizielle Nutzung des Namens "Mazedonien" durch die Regierung in Skopje ab. Das antike Makedonien unter Alexander dem Großen hatte sein Zentrum im heutigen Nordgriechenland. Makedonien ist auch der Name der bevölkerungsreichsten Provinz Griechenlands nach Attika mit der Hauptstadt Athen. Einem mazedonischen Staat mit mehrheitlich slawischer und albanischer Bevölkerung sprechen die Griechen deshalb bisher jede Berechtigung ab. 

Bis heute hat Griechenland die Aufnahme Mazedoniens in die Nato und den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen per Veto verhindert. Die USA sind aber am Natobeitritt Mazedoniens interessiert, denn das Land geriet unter der Vorgängerregierung zunehmend unter russischen Einfluss. 

Zwei Linke am Ruder 


Die Voraussetzungen sind gut: Mit Alexis Tsipras und Zoran Zaev führen nun erstmals zwei reformorientierte linke Premiers die Regierungsgeschäfte. Die Regierung Zaev, die seit einem Jahr im Amt ist, hat einen klaren Kurswechsel weg vom Nationalismus vollzogen und symbolische Schritte gesetzt. So wurden nun der Flughafen in Skopje und die Autobahn umbenannt und tragen nicht mehr den Namen Alexanders des Großen, um Griechenland entgegenzukommen. 

Die Regierung in Athen wirbt für einen Kompromiss. Eine Lösung wäre ein Beitrag für die regionale Stabilität, betont sie. Während es für die griechische Öffentlichkeit vor allem um die "M-Frage" geht, also um die Vermeidung des Begriffs "Mazedonien" im Namen des Nachbarstaats, konzentrieren sich die Verhandlungen mittlerweile auf die verfassungsrechtlichen Aspekte. 

Für Athen sind nach wie vor Artikel 3 und 49 der mazedonischen Verfassung strittig. Dort geht es um die Veränderbarkeit der Grenzen Mazedoniens und um die "Fürsorge" der Regierung in Skopje für Angehörige des "mazedonischen Volks" in Nachbarländern. Allerdings sind beide Artikel bereits in dem von Nimetz vermittelten Interimsabkommen von 1995 und in Verfassungszusätzen klargestellt worden: Skopje schließt territoriale Ansprüche in Griechenland aus. Für eine Regelung des Namensstreits soll die mazedonische Verfassung aber noch einmal geändert werden, so wünscht es die griechische Seite. Mazedonien will hingegen, dass der neue Name nur für den internationalen und nicht nationalen Gebrauch verwendet werden muss. 

Sowohl in Athen als auch in Skopje gibt es erheblichen politischen Widerstand gegen eine Einigung. In Griechenland stellen sich laut Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung, die Kirche und – zumindest rhetorisch – auch der rechtspopulistische Koalitionspartner von Premier Tsipras gegen einen Kompromiss bezüglich Mazedoniens. Ein Referendum zur Billigung eines Abkommens mit Skopje scheint deshalb ausgeschlossen. Eine riskante Abstimmung im Parlament zur Ratifizierung wäre die einzige Option.