Georgi Iwanow: Das ist die griechische Logik des Hinausschiebens

Der mazedonische Staatspräsident, Georgi Iwanow, beschuldigt Griechenland, die Lösung des Namensstreits absichtlich zu verschleppen. Von der Nato-Führung erwartet er sich Signale für eine Aufnahme des Landes.


Die Presse: Griechenland ist mit seiner Krise beschäftigt. Schlechte Rahmenbedingungen für die Lösung des seit 20 Jahren schwelenden Streits um den Namen Ihres Landes?

Georgi Iwanow: Die mazedonische Frage steht nicht hoch oben auf der Athener Agenda. Wir haben ein Problem, Griechenland hat kein Problem.

Serbien ist nun offizieller EU-Beitrittskandidat. Mazedonien ist dies seit 2005, doch Verhandlungen sind durch Griechenlands Veto blockiert. Läuft Mazedonien die Zeit davon?

Wir haben schon 20 Jahre durch den Namensstreit (Athen lehnt den Namen Mazedonien aus hist. Gründen ab, Anm.) verloren: Athen blockiert die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. Für einen Nato-Beitritt haben wir alle Kriterien erfüllt, aber Athen hat 2008 ein Veto eingelegt. Das hat negative Folgen für die ganze Region. Wir werden blockiert, Kosovo ist nicht anerkannt, im Zypern-Konflikt geht nichts weiter – aber Griechenland ist EU-Mitglied. Es ist eine Logik des Hinausschiebens: Was die Griechen in der Wirtschaft getan haben, tun sie auch in der Politik.

Könnte beim Nato-Gipfel im Mai Bewegung in die Sache kommen?

Der Internationale Gerichtshof hat 2011 festgestellt, dass Athen gegen die eigene Ankündigung, Mazedonien unter seinem internationalen Namen, Fyrom, zu akzeptieren, verstoßen hat. Wir erwarten, dass die Nato den Urteilsspruch akzeptiert. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen war kürzlich in Athen, man überreichte ihm als Geschenk eine Nachbildung des Schwerts von Alexander dem Großen. Vielleicht wollte man ihm damit sagen: Jetzt ist es an Ihnen, den gordischen Knoten zu zerschlagen.

Wie erklären Sie Ihren Bürgern eigentlich den Stillstand?

Die Öffentlichkeit versteht die Lage. Sie sieht, dass wir alles Erdenkliche tun. Auch die Bürger beider Staaten haben kein Problem miteinander: Mazedonier fahren nach Griechenland auf Urlaub, Griechen sind wichtige Investoren bei uns. Doch die griechischen Politiker leben gut von der Stimmungsmache.

Leben nicht auch mazedonische Politiker gut mit dem Konflikt? Premier Gruewski, der einen harten Kurs fährt, ist bereits zum dritten Mal Premier.

Er hat die Unterstützung des Volks, das heißt, sein Kurs ist richtig.

Das moderne Skopje wird derzeit im Rahmen von „Skopje 2014“ zu einer „historischen“ Stadt umgestaltet. Man hat ein Denkmal von Alexander dem Großen errichtet – ein Schritt, der die Griechen erzürnte. Symbolische Politik, weil sich auf realpolitischer Ebene derzeit nichts bewegt?

In Wien sehe ich viele historische Gebäude. Ich bin mir sicher, dass die Österreicher niemand fragt, was für Monumente sie auf dem eigenen Staatsgebiet bauen.

Aber offenbar soll diese Architektur die nationale Identität stärken.

Wir respektieren nur das kulturelle Erbe auf unserem Staatsgebiet. Sollen wir schuld daran sein, dass es hier antike Stätten gibt oder Alexanders Großmutter in Bitola – Heraclea Lyncestis – geboren wurde? Wir müssen den Griechen dankbar sein: Je mehr sie uns angreifen, desto stärker werden unsere patriotischen Gefühle.

Macht es Sie eigentlich nervös, dass die Menschen Mazedonien verlassen? Zwischen 2002 und 2011 haben 38.000 Mazedonier die bulgarische Staatsbürgerschaft erhalten.

Die Auswanderung fand statt, als wir noch nicht das visumfreie Regime der EU hatten. Geschäftsmänner verloren ihr Business; Studenten konnten Stipendien nicht antreten. Als Uni-Professor musste ich damals stundenlang warten, um ein Visum für eine Konferenz zu bekommen. Seit 2010 hat sich die Situation drastisch gewandelt.

2011 waren es noch 5500 Menschen, die einen bulgarischen Pass bekamen.

Menschen sind eben pragmatisch, sie wollen ein besseres Leben.

Sind es nicht untreue Bürger?

Im Gegenteil. Wir wollen Teil Europas sein, Griechenland erlaubt es nicht. Manche suchen einen individuellen Weg. Das ist ihr Recht.

ZUR PERSON
Georgi Iwanow (51) ist seit 2009 Präsident Mazedoniens (Fyrom– Former Yugoslav Republic of Macedonia). Der Politologe steht der konservativen Regierung unter Nikola Gruewski nahe. Iwanow traf vergangene Woche in Wien Präsident Heinz Fischer. [M.Reither]