München: 20-Jähriger Mazedonier wegen versuchten Mordes am Vater vor Gericht

Oliver S. macht den Eindruck eines überaus freundlichen jungen Mannes. Das schwarze Haar trägt er nach neuestem Trend, die Seiten kurz rasiert, das Deckhaar lang und nach hinten gegelt. Und er lächelt immer über das ganze Gesicht, wenn er mit weicher Stimme erzählt. Von seinem Vater, der die Familie geschlagen und eine Geliebte hatte. Von dem Abend im November 2016, an dem der Vater die Mutter in den Bauch getreten und den Bruder geohrfeigt hat. Und wie er dann "wie abgeschaltet" in die Küche ging, ein Messer nahm und zustach. Oliver S., 20 Jahre alt, steht wegen versuchten Mordes an seinem Vater vor der Jugendkammer am Landgericht München I.


Die Familie von Oliver S. stammt aus Mazedonien, 2013 zogen die Eltern mit den beiden Söhnen nach Deutschland. Doch anstelle eines besseren Lebens begann "die Hölle", wie der 20-Jährige vor Gericht sagt. Sein Vater lernte nämlich eine andere Frau kennen, Oliver S. ertappte ihn, wie er Herzchen und Küsse via Handy an sie schickte. Er erzählte seiner Mutter davon "und seitdem gab es jeden Tag Streit". Mehr noch: Wenn es um die Geliebte ging, soll der Vater regelmäßig ausgerastet sein und Ehefrau und Kinder geschlagen haben.

Der Vater sei immer in einer Disco am Stachus verschwunden, "für alte Leute, die Tanzen gehen". Er habe sich mit der Geliebten getroffen - und die stalkte offenbar die Handynummern von Ehefrau und Kindern und rief sie an, um ihnen zu sagen, dass ihr Vater nur sie liebe und sich von der Ehefrau trennen werde. Einmal, so erzählt Oliver S., sei sein jüngerer Bruder nach so einem heftigen Streit der Eltern ins Bad gegangen und habe Waschpulver gegessen, um sich zu vergiften. "Ich bin ihm nachgegangen, hab versucht, dass er alles erbricht und dann kam er in eine Klinik." Den Vater habe das nicht interessiert.

"Ich habe nichts gedacht in dem Augenblick"
Auch am Abend des 28. November ging es wieder um die Geliebte. Die Mutter habe die Trennung von der Geliebten verlangt, der Vater habe erwidert, dass er die Mutter nicht mehr liebe. Der Streit sei "sehr laut" gewesen, sagt Oliver S., deshalb sei er zum Rauchen nach draußen auf den Balkon gegangen. Da hörte er die Mutter laut schreien und weinen und er sah sie im Gang liegen. Der Bruder sagte, der Vater habe die Mutter in den Bauch getreten, anschließend ihn geschlagen.

"Ich habe nichts gedacht in dem Augenblick", sagte Oliver S. bei der Polizei. Fast automatisch sei er in die Küche gegangen, weil er dort das Messer liegen sah, mit dem die Mutter zuvor Fleisch geschnitten hatte. Dann sei er in den Gang gegangen und habe seinen Arm nach vorne gestreckt, "das war's". Erst als er am Oberkörper des Vaters Blut sah, sei ihm bewusst geworden, was er getan hatte. Er habe seinen Vater nur verletzen wollen. "Aber ich wollte ihn nicht umbringen. Ich liebe meinen Vater und er liebt mich."

Der Vater erlitt eine mehrere Zentimeter tiefe Stichwunde in der Brust, die Lunge wurde verletzt und er verlor viel Blut. Laut Staatsanwaltschaft bestand konkrete Lebensgefahr. Das Urteil wird Ende September erwartet.

QUELLE: Süddeutsche