RAF-Terroristin lebt in Skopje und schreibt Masterarbeit


Eine ältere Dame sitzt auf dem Podium, hört sich interessiert die Fragen der 100 Besucher an. Oft blickt sie nach unten, fasst sich an den Huckel auf der Nase. Diese Frau ist Silke Maier-Witt (67). Die frühere RAF-Terroristin stellt sich im DDR-Museum am Berliner Dom erstmals einer öffentlichen Befragung.

1977 war Maier-Witt an der Ermordung von Hanns Martin Schleyer beteiligt. Sie kundschaftete seine Wege zwischen Wohnung und Arbeitsplatz aus, tippte das Verhör während der RAF-Entführung ab und rief nach seiner Ermordung bei dpa an. Es wurden berühmt-berüchtigte Worte: „Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet!“

Wie empfindet sie dieses Statement heute? Maier-Witt wirkt getroffen: „Schon damals wollte ich das sachlich formulieren. Doch es wurde nicht diskutiert, sondern gehandelt. Heute empfinde ich das als eine furchtbare Erklärung.“

Die anderen Fragen aus dem Publikum beantwortet sie ruhig, mit bizarrer Sachlichkeit! Etwa: Was machte eine RAF-Terroristin zwischen den Anschlägen? „Telefonieren, dienstlich herumreisen, mit Sympathisanten treffen, neue Anschläge vorbereiten, Pässe fälschen. Das war kein entspanntes Leben“, sagt sie.

Nach ihrer Tat tauchte sie mit neun weiteren RAF-Mitgliedern in der DDR unter. Erst in Briesen bei Frankfurt (Oder), dann in Hoyerswerda, Erfurt, Berlin und Neubrandenburg. Als sie auf der Straße erkannt und dann an den BND verraten wurde, bekam sie vom DDR-Geheimdienst eine neue Identität und eine Nasen-OP.

„Die Stasi meinte, ich hätte einen Huckel auf der Nase, der mich überführen könnte. So musste ich in eine Klinik, obwohl ich glaubte, der Huckel wäre nicht markant. Irgendwie misslang die OP. Denn ich habe noch immer den Huckel auf der Nase“, sagt sie und fasst ihn wieder an.

1990 wurde Maier-Witt enttarnt, 1991 zu zehn Jahren Haft verurteilt. 1995 kam sie vorzeitig auf freien Fuß. Bei Familie Schleyer hat die Ex-Terroristin nicht mal den Versuch einer Entschuldigung unternommen! „Ich sah den ältesten Sohn einmal auf dem Flug nach Aden“, sagt sie. „Damit er mich nicht erkennt, habe ich englisch gesprochen. Aber ich wäre jetzt bereit. Das Wort Entschuldigung ist viel zu schwach. Ja, ich werde an Familie Schleyer schreiben!“

Was macht Maier-Witt heute? „Ich lebe allein in Skopje in Mazedonien, wo ich meine Masterarbeit über die Geschichte des Balkans schreibe.“
QUELLE: BILD