In der Stuttgarter Oper steht das mazedonische Sängerpaar gemeinsam auf der Bühne, macht aber auch getrennt Karriere: Ana Durlovski in aller Welt, Igor Durlovski als Intendant der Oper in Skopje.
Da Sie beide, Ana und Igor Durlovski, als Sopranistin und als Bass auf der Opernbühne stehen, jetzt in Stuttgart sogar wieder gemeinsam in Jommellis „Berenike“, liegt es da nicht nahe, dass Sie sich auf oder hinter der Bühne auch kennengelernt haben?
IGOR DURLOVSKI: Ein bisschen früher schon. Wir haben auf der Universität in Skopje zusammen studiert und waren dort im gleichen Kurs. Als Kollegen haben wir auch gemeinsam an Wettbewerben teilgenommen. Auf der Bühne haben wir uns dann zum ersten Mal in Donizettis „Lucia di Lammermoor“ in der Nationaloper von Skopje getroffen. Das war Anas erster Auftritt überhaupt. ANA DURLOVSKI: Und das war auch der eigentliche Anfang unserer Beziehung. Damals hat’s, wie man so schön sagt, gefunkt.
Wie „funktioniert“ denn so eine Sänger-Ehe? Wie fühlt man sich, wenn man mit dem Partner gemeinsam auf der Bühne steht?
ANA DURLOVSKI: Wenn wir zusammen singen, ist das für mich eine doppelte Aufregung. Da muss ich mich nicht nur auf meine eigenen Szenen und Arien konzentrieren, sondern fühle auch bei seinen Auftritten intensiv mit. Nach jeder Aufführung setzen wir uns kritisch mit unseren „Leistungen“ auseinander. IGOR DURLOVSKI: Wir arbeiten sehr eng zusammen, natürlich auch dann, wenn wir zu Hause üben, eine neue Rolle vorbereiten. ANA DURLOVSKI: Wir geben uns gegenseitig Tipps und üben dabei offen und ehrlich auch Kritik aneinander. IGOR DURLOVSKI: Da wir schon so lange zusammen sind, können wir uns absolut vertrauen. Im Vordergrund steht immer die Überlegung, was das Beste für den Partner ist. ANA DURLOVSKI: Wenn wir uns gegenüber ehrlich sind, wissen und spüren wir auch selber, ob wir mit unserer Leistung vollkommen zufrieden sein können oder nicht. Bei der gegenseitigen Kritik geht es deshalb vor allem um vokale Details, die vielleicht problematisch waren.
Um solche Details dürfte es am Anfang Ihrer Begeisterung für die Oper wohl kaum gegangen sein. Welches Schlüsselerlebnis hat Sie denn fürs Musiktheater begeistert?
ANA DURLOVSKI: Als Kind habe ich einmal mit meinen Eltern „Carmen“ besucht. Die Aufführung hat mich unheimlich fasziniert; so etwas wollte ich unbedingt machen, wobei ich damals gar nicht gewusst habe, dass man das Singen lernen kann, die Stimme ausbilden muss. Ich habe gedacht, das kommt irgendwie von alleine.
Dass dem nicht so ist, haben Sie wohl im Verlauf Ihres späteren Studiums gemerkt? Wer hat Sie auf Ihre ganz besondere Stimme aufmerksam gemacht?
ANA DURLOVSKI: Eigentlich wollte ich ja Musiklehrerin werden, doch meine Dozenten haben mir geraten, Sologesang zu studieren, da ich eine interessante Stimme und das nötige Potenzial habe. So bin ich zur Oper gekommen. Ich glaube, dass das kein Zufall war. Das hat „jemand“ für mich organisiert.
Donizettis „Lucia di Lammermoor“ in Skopje war dann Ihr erster großer Auftritt?
ANA DURLOVSKI: Ich war im sechsten Semester und hatte das Glück, dass der damalige Intendant der mazedonischen Oper an junge Leute geglaubt hat und mal etwas „Frisches“ auf der Bühne präsentieren wollte. So durfte ich ohne großes Vorsingen die „Lucia“ machen, so wie Igor zehn Monate zuvor „La Bohème“. Ich habe wirklich – eigentlich zum Glück – nicht gewusst, was es bedeutet, diese immens schwierige Partie zu singen. Ich hatte die Oper zuvor noch nie ganz gehört, aber ich war 21 Jahre jung, habe mich gefreut – und hatte großen Erfolg. Damals konnte ich ganz spontan singen.
IGOR DURLOVSKI: Auch ich komme, wie Ana, aus keiner musikalischen Familie, habe aber immer schon sehr gerne gesungen. Zum Glück habe ich in meinem Leben immer Menschen gehabt, die mir den richtigen Weg gezeigt haben.
Die „Lucia“ war auch die erste Partie, mit der Sie an der Stuttgarter Oper Aufsehen erregt haben. Was bedeutet es für Sie, da Ensemble-Mitglied zu sein?
ANA DURLOVSKI: In einem Ensemble zu arbeiten, ist für mich wahnsinnig wichtig. Ich liebe die Arbeit an einem Charakter, und ich liebe es, mit meinen Rollen Geschichten zu erzählen. Das ist nur in einem Ensemble möglich, weil man sich hier gut kennt. Hier kann ich über einen längeren Probenzeitraum hinweg in einer Produktion eine unverwechselbare Figur entwickeln, wie jetzt zum Beispiel ganz aktuell die Elvira in Bellinis „Puritani“. So kann ich in einem Haus, bildlich gesprochen, einen ganz persönlichen Stempel hinterlassen. Hier in Stuttgart ist die Atmosphäre ausgesprochen familiär, und das gilt nicht nur für die Opernleitung und die Sänger, sondern auch für die Mitarbeiter aller Abteilungen. Ich fühle mich hier sehr wohl, nicht zuletzt wegen des ganz wunderbaren Publikums, das mich, ich spüre das am Beifall nach jeder Aufführung, offensichtlich wirklich liebt.
Sie pendeln regelmäßig zwischen Ihren Wohnorten Skopje und Stuttgart hin und her. Wird Ihnen das auf Dauer nicht zu viel?
ANA DURLOVSKI: Wir haben uns jetzt entschlossen, künftig Mazedonien zu unserem Lebensmittelpunkt zu machen, da Igor und unsere Kinder in Skopje leben. Für die „Puritaner“ bin ich zwei Monate in Stuttgart, kann aber Maxim (8) und die Zwillinge Luca und Sofia (6) hierher holen, da sie im Augenblick drei Monate Ferien haben.
Wie wichtig ist für Sie ein Auftritt an der „Met“ in New York, wo Sie die Königin der Nacht in der „Zauberflöte“ gesungen haben?
ANA DURLOVSKI: Das ist, zugegeben, natürlich Spitze. Aber für einen Künstler sollte es eigentlich unwichtig sein, wo er eine Partie singt, solange er seine Kunst auf allerhöchstem Niveau präsentiert, ob in New York, Stuttgart oder Skopje.
Nicht nur in New York, sondern auch in Bregenz und Wien, München und Berlin, Baden-Baden und Dresden haben Sie die atemberaubenden Koloraturen der Königin der Nacht gesungen, insgesamt fast 200 Mal. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser schwierigen Partie gemacht?
ANA DURLOWSKI: Die wichtigste Aufführung war für mich meine allererste an der Wiener Staatsoper. Da hat alles angefangen, und dadurch habe ich auch viele Angebote bekommen und konnte die Rolle immer weiter entwickeln. Die Königin der Nacht hat zu Mozarts spektakulärer Musik immer auch optisch Aufsehen erregende Auftritte. Sie fährt von oben nach unten oder wird von unten nach oben katapultiert. Solche zum Teil atemberaubenden Aktionen führen bei mir oft dazu, dass die Töne erstaunlicherweise viel leichter kommen, weil man nicht so sehr aufs Singen fixiert ist. Bei einer Open Air-Produktion wie in Bregenz kommen allerdings zur schwindelerregenden Höhe, in die die Königin der Nacht dort gefahren wird, noch Nieselregen mit Rutschgefahr und nervige Stechmücken dazu.
Mit solchen Problemen hat man auf der Bühne in Skopje nicht zu rechnen. Dort haben Sie zu Beginn dieses Jahres die Intendanz von Oper und Ballett übernommen. Was hat Sie als Sänger an dieser Aufgabe gereizt?
IGOR DURLOVSKI: Ich werde natürlich auch weiterhin auf der Bühne stehen, nicht nur in Skopje, sondern demnächst auch beim Internationalen Macao-Festival, in Florenz, Palermo oder Tokio. In Skopje gibt es allerdings sehr viel zu tun, da das Theater in den letzten Jahren nicht so richtig funktioniert hat.
Worauf kommt es Ihnen jetzt vor allem an?
IGOR DURLOVSKI: Ganz wichtig sind für mich die Projekte für Kinder, die die Zukunft der Oper sind, mit denen wir im Mai schon mit einer „Kleinen Zauberflöte“ und zwei Kinderballetten sehr erfolgreich begonnen haben. Mit unseren neuen Angeboten haben wir auch die Generation zwischen 20 und 40 wieder in die Oper gebracht. Darüber bin ich sehr glücklich und natürlich auch darüber, dass das Kultusministerium uns nach vierzig Jahren endlich Geld für die dringend notwendige Renovierung des Zuschauerraums zur Verfügung stellt. Wir bieten jetzt auch viel mehr Vorstellungen an als früher, zehn bis zwölf statt bisher drei bis vier im Monat.
Wie sieht es denn mit der Opernbegeisterung in Skopje aus?
IGOR DURLOVSKI: Oper hat bei uns erst seit siebzig Jahren eine Tradition, weshalb vor allem bekannte Werke beliebt sind. Deshalb habe ich meine Arbeit auch mit Puccinis „Turandot“ angefangen, in der ich selbst den Timur singe, inszeniert von Giancarlo del Monaco. Für die Zukunft denke ich aber auch an die Übernahme von Inszenierungen anderer Opernhäuser, die dort aus dem Spielplan verschwinden, weshalb die Kulissen oft einfach weggeworfen werden.
ANA DURLOVSKI: Wir in Mazedonien würden uns sehr freuen, wenn solche Produktionen bei uns weiterleben könnten. Warum sollte man Kulissen zerstören, wenn andere sie gut brauchen können?
Wie können Sie aus der Ferne Ihren Mann bei seiner Arbeit als Intendant in Skopje unterstützen? Kann die dortige Oper sich Sie vom hohen Marktwert her überhaupt leisten?
ANA DURLOVSKI: Man hat dort schon auch ein Budget für Gäste. Aber das ist für mich überhaupt keine Frage. Mit der Kunst muss man auch Gutes tun, in diesem Fall für die Oper in Mazedonien. Und dort werde ich deshalb im Dezember auch „Lucia di Lammermoor“ singen. IGOR DURLOVSKI: Ich bekomme als Intendant in Skopje übrigens auch keinen mazedonischen Denar, wenn ich in meinem Opernhaus auf der Bühne stehe.