Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger verlas die Anklagepunkte, übersetzt von einer Albanisch-Dolmetscherin. Demnach wartete am frühen Morgen des 9. Oktober 2016, zwischen 2 und 2.30 Uhr, eine 23-jährige Studentin aus Finnland am Willy-Brand-Platz in Ulm auf das von ihr bestellte Taxi. Als ein dunkler Pkw auf ihrer Höhe hielt, sei sie eingestiegen und habe die Adresse in der Bleichstraße genannt. Am Steuer des Wagens: der 37-jährige Familienvater. Er fuhr mit ihr auf einen Feldweg am Rand der Stadt. Die junge Frau habe ihm deshalb auf ihrem Handy den richtigen Weg gezeigt, da habe er ihr das Telefon abgenommen, sie ins Freie gezogen und auf die Rückbank gedrängt. Die Studentin versuchte, sich zu wehren. Daraufhin habe er ihr hart ins Gesicht geschlagen und sich an ihr vergangen. Danach fuhr er die 23-Jährige in die Bleichstraße – damit er sie überhaupt aussteigen ließ, habe sie ihn auch noch küssen müssen.
Zweiter Anklagepunkt: Am selben Abend hielt sich der Familienvater wieder in der Stadt auf. Gegen 21 Uhr stoppte er mit seinem Auto in der Magirusstraße: Am Straßenrand stand eine weinende Frau. Er stieg aus und gab vor, sie trösten zu wollen – die 27-Jährige erzählte, dass ihr Freund sie geschlagen und aus der Wohnung geworfen habe. Die Frau sei zu ihm in den Pkw gestiegen, um sich von ihm ins DRK-Übernachtungsheim in der Frauenstraße bringen zu lassen, sagte Bischofberger. Doch erneut fuhr der Angeklagte raus aus der Stadt, etwa 20 Minuten lang. Die 27-Jährige konnte währenddessen nicht flüchten, weil die Beifahrerseite verriegelt war. Auch diese Frau habe er auf die Rückbank des Autos gezwungen, vergebens schlug und trat sie um sich. Der Angeklagte habe ihr mit der Faust ins Gesicht geschlagen und sie vergewaltigt. Offenbar habe er ihr 100 Euro versprochen, aber nur 20 Euro gegeben und sie schließlich am Übernachtungsheim in Ulm abgesetzt.
Polizei mit „Hitler“ beschimpft
Beide Frauen gingen zur Polizei. Wenige Stunden später wurde der Familienvater zuhause festgenommen und auf das Polizeirevier Ulm-Mitte gebracht, führte der Staatsanwalt aus. Der Angeklagte habe sich dort gegen eine kriminaltechnische Untersuchung, einen DNA-Abstrich, gewehrt, habe Polizisten beschimpft mit: „Hitler, Du bist wie ein Hitler“. Um seine Kleidung sicherzustellen, wurden ihm Handschließen angelegt. Da habe er versucht, einen Beamten mit der Faust am Kopf zu treffen und ihm einen Kopfstoß zu versetzen.
Nur die Hälfte sei wahr, sagte der 37-Jährige zu den Vorwürfen. Zum ersten Fall: Er habe in einem Café in Ulm – wie häufig – Fußball geschaut. Danach sei er zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt in ein Stripteaselokal in der Blaubeurer Straße gefahren. Warum, wisse er nicht mehr, antwortete er auf Nachfrage von Richter Philipp. Später habe er die Studentin getroffen. Ja, er habe versucht, sie zu küssen und auszuziehen, aber „ich habe keinen Sex mit ihr gehabt“.
Zum zweiten Fall: Der Geschlechtsverkehr mit der 27-Jährigen sei im Einvernehmen erfolgt, erklärte er. „Von mir hat sie keine Schläge bekommen.“ Die Frau habe ihn vielmehr um Hilfe gebeten. Er habe ihr gleich klar gemacht, dass er verheiratet sei und sie nicht mit ihm nach Hause kommen könne. Zum dritten Fall: Die Polizisten habe er mit „Hitler“ beschimpft, da ihn diese gestoßen und zu Boden geworfen hätten. Körperlich angegangen habe er sie nicht.
Die beiden Opfer, die als Nebenklägerinnen auftreten, waren am Donnerstag nicht im Sitzungssaal anwesend. Die zwei Frauen werden erst in den folgenden Verhandlungstagen aussagen. Der Prozess wird am 6. Februar fortgesetzt.