Ivanov: Wir werden nicht unsere Seele verkaufen

Mazedoniens Präsident Gjorge Ivanov im Interview mit der Wiener Zeitung.


Die Fahrt führt durch die pulsierende Innenstadt Skopjes, vorbei am "Journalistenpark" (schön, und zugleich verblüffend, dass es Plätze auf der Welt gibt, wo sogar Parkanlagen nach einer allenthalben eher unbeliebten Berufsgruppe getauft werden) und dem "Mutter Teresa"-Krankenhaus, bis man an einer Gabelung nach rechts abbiegt. Schon bald gelangt man in ein grünes Villenviertel, das zu Füssen des Berges Vodno im Südwesten der mazedonischen Hauptstadt liegt.

Inmitten einer weitläufigen, sehr gepflegten Parkanlage liegt der Amtssitz von Staatspräsident Gjorge Ivanov. Bereits seit 2009 führt der 56-jährige Jurist und Politikprofessor, der direkt vom Volk gewählt ist, hier seine Amtsgeschäfte. Doch wohl noch nie kam es so sehr auf ihn an bei der Frage, wie es in Mazedonien weitergeht. Schon seit mehr als zwei Jahren erschüttert eine schwere politische Krise den noch jungen Staat, sie ist derweil zu einer handfesten Verfassungskrise avanciert. Ivanovs Begrüssung ist herzlich, er nimmt sich in seinem Arbeitszimmer an diesem sonnigen, lauen Montag viel Zeit im exklusiven Gespräch mit der "Wiener Zeitung" - bis seine Sekretärin den Raum schon das zweite Mal betritt, um ihn lächelnd, aber bestimmt an seinen nächsten Termin zu erinnern.

"Wiener Zeitung":Herr Präsident, zu Beginn Ihrer Amtszeit im Jahr 2009 haben Sie gesagt, der Balkan sei "ein politisches Erdbebengebiet und mit seinen neu entstandenen Staaten instabil." Ist just Mazedonien dieses ominöse Pulverfass?

Gjorge Ivanov: Der Balkan ist ein Pulverfass, aber die Zündschnur liegt stets ausserhalb. Die Grossmächte haben sich immer eingemischt, auch nach dem Zerfall Jugoslawiens. Wir sind die Opfer von den Fehlern anderer. Mitunter fungieren wir leider auch als deren Spielwiese für Experimente.

Ohne Umschweife, zur Sache: Mazedonien steckt schon über zwei Jahre in einer schweren, sich offenbar zuspitzenden politischen Krise. Auch die jüngsten Wahlen am 11. Dezember haben bis dato nicht dazu beigetragen, diese Krise zu überwinden. Im Gegenteil: Ihnen wird vorgeworfen, Sie hätten zuletzt Öl ins Feuer gegossen, weil Sie den zweitplatzierten Sozialdemokraten (SDSM) Anfang März nicht den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt haben - und dies, obgleich die SDSM, die knapp 37 Prozent der Stimmen und 49 Mandate der 120 Sitze im Parlament in Skopje erhielt, mit den Parteien der mazedonischen Albaner eine bequeme Parlamentsmehrheit von 67 Sitzen hat nachweisen können.

Seit der Unabhängigkeit unseres Landes hat stets die bei Wahlen erstplatzierte Partei das Mandat zur Bildung einer Regierung erhalten. Nach den Wahlen am 11. Dezember habe ich das getan, was ich und meine Amtsvorgänger stets getan haben: dem Wahlsieger den Auftrag zur Regierungsbildung geben.

Also der nationalkonservativen VMRO-DPMNE mit 38 Prozent der Stimmen und 51 Mandaten.

So ist es. Der VMRO-DPMNE ist es nicht wie vorgeschrieben innerhalb von 20 Tagen gelungen, eine Koalition mit den Parteien der mazedonischen Albaner zu bilden. Um genauer zu sein: Die Koalition war eigentlich vereinbart. Doch dann kam in letzter Stunde ein Anruf - und die Koalition platzte.

Wer war denn der Anrufer?

(lächelt) Sie sind Journalist. Sie können das herausfinden. Anders als andere Verfassungen sieht unsere Verfassung jedoch nicht vor, was dann zu geschehen hat. Hier herrscht eine Verfassungslücke.

Um ein politisches Vakuum zu verhindern, habe ich alle Parteien eingeladen und auf einen Präzedenzfall aus dem Jahr 1992 verwiesen. Damals hat Präsident Gligorov den Zweitplatzierten die Chance gegeben, eine Regierung zu bilden - und zwar binnen zehn Tagen, gemäß der Verfassung der Republik Mazedonien.

Ich habe alle Parteien bei einem Treffen dazu aufgerufen, mir den Nachweis zu erbringen, dass sie eine Mehrheit bilden können - und zwar wieder binnen zehn Tagen, so wie 1992. Egal wer, ob Erstplatzierter, Zweitplatzierter oder Klein- oder Kleinstpartei: Ich habe allen diese Gelegenheit geboten.

Ich habe zehn Tage gewartet. Nichts ist passiert. 20 Tage sind verstrichen. Nichts ist passiert. Am 27. Tag hat mir der SDSM-Chef Zoran Zaev eine Liste mit 67 Unterschriften unterbreitet. Also zu spät. Die Frist war da schon längst abgelaufen. Das haben mir alle Verfassungsjuristen bestätigt. Schon allein aus rechtlichen Gründen würde diese Koalitionsbildung umstritten sein.

Nun läuft seit Ende März die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments. Viele Abgeordnete halten Dauerreden. So schieben sie die Wahl des Parlamentspräsidenten auf die lange Bank. Aber nur wenn er gewählt ist, kann Ihnen vom Parlament ein Vorschlag zur Regierungsbildung gemacht werden. Wie lange kann, besser: darf, das alles dauern?

Theoretisch gibt es kein zeitliches Limit.

Könnte das Parlament an Ihnen vorbei eine Regierung wählen? Geht das?

Dies ist nur ein Wunschdenken. Rechtlich ist das unbegründet. So eine Regierung wäre nicht legitim. Das sieht unsere Verfassung eindeutig vor. Laut Artikel 90 der Verfassung kann nur der Staatspräsident das Mandat erteilen. Dann würde es zwei Regierungen geben. Die aktuelle, welche eine technische Regierung ist und eine Regierung ohne Legitimität vom Präsidenten, beziehungsweise ohne Verfassungsgrundlage. Dies bedeutete, wir würden in einer noch größeren Krise eintreten.

Was wird passieren, falls irgendwann ein Parlamentspräsident gewählt wird und der SDSM-Chef sich wieder mit den Parteien der mazedonischen Albaner als "Königsmacher" vereinbart und eine Regierung zu bilden wünscht? Und wie würden Sie entscheiden?

Ich werde so einer Koalition nicht das Mandat erteilen - und zwar aus politischen Gründen, wie ich dies bereits vor wenigen Wochen getan habe, unabhängig von den rechtlichen Gründen, die ich bereits erläutert habe.

Wie lauten diese politischen Gründe?

Wegen der sogenannten "Tirana-Plattform".

Sie meinen den Umstand, dass sich Parteiführer der mazedonischen Albaner Ende vorigen Jahres, nach den Wahlen in Mazedonien, in Tirana mit dem Regierungschef Albaniens, Edi Rama, getroffen und dort eine Plattform präsentiert haben, die eine Bedingung für die Regierungsbildung in Mazedonien sein soll. Auf den Fotos der Präsentation dieser sogenannten Tirana-Plattform ist Rama mit den Führern der Parteien der mazedonischen Albaner zu sehen.

Genau. Dies ist eine direkte Einmischung, mehr noch: Gefährdung der Unabhängigkeit des Staates Republik Mazedonien. Schon alleine der unsägliche Umstand, dass die Positionen in der Tirana-Plattform in einem anderen Land erarbeitet und von dem Regierungschef dieses Nachbarlandes feierlich präsentiert werden, ist absolut nicht hinnehmbar. Schon dies alleine ist bei uns eine Straftat. Überdies sind die inhaltlichen Forderungen in der Tirana-Plattform nicht nur politisch gefährlich, sondern auch verfassungswidrig.

Konkret?

In der Tirana-Plattform wird gefordert, dass Albanisch landesweit neben Mazedonisch zur zweiten offiziellen Sprache in Mazedonien werden soll. Dagegen laufen hier aber die türkischen Mazedonier, die serbischen Mazedonier, die Wlachen oder Roma, also neben den albanischen Mazedoniern alle Bürger Mazedoniens, die nicht ethnische Mazedonier sind, Sturm.

Denn laut dem Sprachengesetz, das wir 2008 und 2011 eingeführt haben, gilt in allen Gemeinden, in denen sie lokal einen Anteil ab 20 Prozent stellen, auch ihre Sprache als offizielle Sprache. In Schulen, in Behörden, in allen Institutionen, überall.

In Mazedonien gibt es Gemeinden, in denen Roma eine offizielle Sprache ist. Oder Türkisch. Oder Serbisch. Und natürlich Albanisch. Dies erfüllt nicht nur alle internationale Richlinien und Kriterien, wie zum Beispiel vom Europarat, sondern übertrifft sie sogar.

Die albanischen Mazedonier stellen mittlerweile einen Anteil von rund 25 Prozent der Gesamtbevölkerung in Mazedonien dar. Alle anderen Minderheiten liegen weit darunter.

Wir haben sogar den Begriff "Minderheiten" aus der Verfassung gestrichen und durch das Wort "Gemeinschaften" ersetzt, also albanische Gemeinschaft, türkische Gemeinschaft und so fort.

In der Tirana-Plattform wird nun aber gefordert, diese 20 Prozent-Regel landesweit abzuschaffen. Faktisch würde dies bedeuten, dass dann nur noch Albanisch neben Mazedonisch landesweit zweite Amtssprache werden würde und eben nicht mehr Türkisch, Serbisch, Wlachisch oder die Sprache der Roma zumindest auf lokaler Ebene.

Dies hiesse, dass in Gevgelija (Grenzort zu Griechenland, Anm.) Albanisch zwingend als zweite Amtssprache eingeführt werden soll, obwohl dort überhaupt keine Albaner leben!

Die mazedonischen Albaner beklagen, sie seien ferner kraft Verfassung diskriminiert. Sie verweisen auf die Präambel der mazedonischen Verfassung, wonach "Mazedonien als Nationalstaat der Mazedonier" geschaffen wurde, der den namentlich genannten Gemeinschaften der Albaner, Türken, Wlachen, Serben oder Roma zwar die "volle Gleichberechtigung" und eine "permanente Koexistenz" mit den ethnischen Mazedoniern bietet. Die mazedonischen Albaner wollen aber offensichtlich mehr: Sie wollen ein konstituierendes Volk in Mazedoinien sein. Können Sie sich ein föderales Mazedonien vorstellen? Edi Rama hat kürzlich wegen der Sprachenfrage auf die Schweiz als Vorbild für Mazedonien verwiesen.

Wir sind nicht die Schweiz oder Österreich. Und Mazedonien ist auch anders als andere Balkanstaaten. Wir haben ein Modell der Integration ohne Assimilation. Jeder bleibt das, was er ist. Wir sind eine multiethnische Demokratie, in der keiner wegen seiner Volkszugehörigkeit diskriminiert ist, keiner ausgeschlossen ist. Wir hatten in der Regierung mazedonische Albaner als Verteidigungsminister, auch als Europa-Minister. Wir sind ein Staat der Bürger Mazedoniens.

Die ethnischen Mazedonier sind jedoch ein Volk für sich, weil sie hier ihr Recht auf ihren eigenen Staat verwirklicht haben. Die Türken haben ihr Recht auf ihren Staat in der Türkei verwirklicht, die Serben in Serbien.

Das gilt auch für die Albaner. Sie haben ihr Recht auf einen eigenen Staat in unserem Nachbarland Albanien verwirklicht. Jetzt sogar im Kosovo. Wenn die mazedonischen Albaner ein konstituierendes Volk in Mazedonien sein wollen, dann wollen sie ihr Recht auf einen eigenen Staat auch noch hier verwirklichen - ohne die Landesgrenzen Mazedoniens in Betracht zu ziehen! Dies sieht die Tirana-Plattform vor.

Dann wäre Mazedonien nach Albanien und Kosovo schon der dritte albanische Staat. Ist denn auch ein föderatives Griechenland möglich, da auch dort eine ziemliche Anzahl von Albanern leben?

Was wollen Sie?

Wir wollen eine Integration, keine Ghettoisierung. Es ist schon bedauerlich genug, dass einige junge Albaner kein Mazedonisch sprechen und sich mehr nach Pristina und Tirana statt nach Skopje orientieren.

Herr Präsident, droht Mazedonien dennoch ein Bürgerkrieg? Bereits 2001 gab es einen Beinahe-Bürgerkrieg, im Mai 2015 gab es in einem albanischen Stadtviertel in der Stadt Kumanovo bei Unruhen Dutzende Tote.

Nein.

Zoran Zaev, ein ethnischer Mazedonier, will mit den Parteien der mazedonischen Albaner koalieren, Tirana-Plattform inklusive. Ist er in Ihren Augen total verrückt geworden?

Zaev will nur an die Macht kommen. Er hat die Wahl im Dezember aber verloren. Ich glaube, er weiss nicht, in welchem Spiel er da mitspielt. Er war blind vor dem Wunsch, um an die Macht zu kommen. Jetzt befindet er sich aber in einer delikaten Situation. Falls er es nicht schafft, an die Macht zu kommen, könnte er im Gefängnis landen.

Drohen Sie Zaev?

Nein, ich drohe nicht. Die mazedonischen Institutionen werden irgendwann gegen ihn vorgehen, allen Dingen nachgehen. Zum Beispiel dürfte die Frage interessant sein, wer ihm die Abhörprotokolle zugespielt hat.

Sie meinen die Dokumente, die ab Anfang 2015 von der Opposition auf Youtube veröffentlicht worden sind. Gespräche von Regierungsmitgliedern und dem Geheimdienst sind zu hören. Sie belasten offenbar die Regierungspartei VMRO um den Ex-Premier Nikola Gruevski schwer. Es geht um Machtmissbrauch, Korruption, Gewalt gegen missliebige Personen und Manipulation der Medien. Eine eigens eingerichtete Sonderstaatsanwaltschaft in Skopje ermittelt in der Sache - auf Druck der EU und der USA. Sie hat nur bis Juni Zeit, Anklagen zu erheben. Andernfalls sind die Ermittlungen einzustellen.

Und bisher ist nichts dabei herausgekommen.

Genau das ist doch der Punkt: Zaev und nicht zuletzt Brüssel, namentlich der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn, drängen Sie darauf, das jüngste Wahlergebnis endlich zu akzeptieren, einzulenken und Zaev mit den Albanerparteien den Weg zum Machtwechsel zu ebnen, damit nicht zuletzt die Strafjustiz endlich in der Sache unabhängig ermittelt und womöglich Strafanklagen erhebt.

Zaev ist nicht reif für die Rolle, die ihm aufgetragen wurde. Er hat sich nicht nur selbst überschätzt, sondern wurde auch von denjenigen, die ihm diese Rolle übertragen haben, überschätzt. In der Politik muß es einen Dialog und Kompromiss geben, und er möchte nicht reden. Jede erpresste Koalition ist unstabil. Die Verfassung wird mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert. Doch Zaev wird bestehen, dass diese Gesetze im Parlament verabschiedet werden, damit ich mit einem Veto dagegen stimme, und das Verfassungsgericht eine Initiative ergreift und diese Gesetze annulliert. Das wird Zaev auch tun, um mich danach zu beschuldigen anti-albanisch zu sein. Verstehen Sie, was für ein perfides Spiel er spielt?

Fakt ist: Die VMRO hat keine Koalition bilden können. Das war die erste Option. Über die zweite Option, einer Koalition der Sozialdemokraten mit den Albanerparteien, haben wir bereits gesprochen. Die dritte Option wäre eine Grosse Koalition. Was halten Sie davon?

Hatten wir schon im Jahr 2001. Alles wurde blockiert. Dennoch: Dies wäre durchaus eine Option.

Bliebe die Option Neuwahlen. Was halten Sie davon?

Am Ende wird es Neuwahlen geben, irgendwann. Das ist in der Demokratie immer so. Immer wenn es eine Blockade gibt, endet alles mit Wahlen. Doch jetzt sagen ihnen Wahlen nicht zu, denjenigen, die Zaev kreiert habe, weil sie viel Geld, viel Autorität in ihn investiert haben und sie das Gesicht wahren sollen. Sie sind sich darüber im Klaren, dass dies eine verfehlte Investition ist. Weil mit der Plattform, die er akzeptiert hat, das Vertrauen in Zaev täglich sinkt.

Sind Sie von der EU enttäuscht?

Ja, sehr.

Weshalb?

Weil sie impotent und machtlos ist. Sie haben den ganzen Prozess geführt und die Przino-Vereinbarung von 2015 gestaltet (Vereinbarung mit der EU für die Demokratisierung und Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit, Anm.), mit der wir aus der Krise finden sollten.

Doch die Tirana-Plattform führte zu einer institutionellen Krise, eine Blockade für die Regierung, das Scheitern bei der Wahl eines Parlamentspräsidenten. Die EU und Amerika waren miteinbezogen mit dem Ziel die politische Krise zu lösen. Aber, sie verurteilen nicht jene, die ihnen die Lösung der politischen Krise behindert und eine institutionelle Krise produziert haben. Und das sind Edi Rama und die albanischen Politiker, die ihnen die ganze Mühe dieser zwei Jahren zunichte gemacht haben. Die Tirana-Plattform hat mit einem Schlag die Vereinbarung zerstört. Jetzt befinden wir uns in einer institutionellen Krise, die nichts mit der Przino-Vereinbarung gemein hat.

Bereits im Jahr 2005 haben Sie den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Halten Sie weiter am Ziel des EU-Beitritts fest?

Absolut! Oberste Priorität ist auch der NATO-Beitritt. Mazedonien hat kein anderes strategisches Ziel als den Beitritt zur EU und zur NATO.

Der NATO-Beitritt scheiterte im April 2008 nach einem Veto Griechenlands wegen des Namensstreits.

Wir halten aber unbeirrt auch an diesem Ziel fest.

Sollte die USA eine Führungsrolle auf dem Balkan wahrnehmen? Wünschen Sie sich ein starkes Amerika hier?

Amerika ist nicht mehr das Amerika, was es einmal war. Ich glaube, die Zeiten einer Pax Americana sind vorbei. Wir hatten hier eine Pax Romana, eine Pax Ottomana, eine Pax Americana. Seither warten wir auf eine Pax Europa. Bisher vergeblich.

Wie sehen Sie die neue US-Administration unter dem neuen Präsidenten Donald Trump?

Wir sollten Trump Zeit geben.

Hat sich Russland in die Causa Mazedonien eingemischt? Moskau warnte kürzlich vor der Rolle Albaniens, der EU und NATO in der ganzen Region.

Russland hat sich nie in Mazedonien eingemischt. Es hat seine Meinung zum Ausdruck gebracht. Das ist legitim.

Kann die OSZE verstärkt in der Region wirken? Seit dem 1. Jänner hat Österreich den OSZE-Vorsitz inne.

Österreich ist ein grosser Freund Mazedoniens, aber die OSZE ist machtlos. Sie ist im 20. Jahrhundert stehen geblieben. Wir sind schon lange im 21. Jahrhundert.

Österreichs Aussenminister Sebastian Kurz hat kürzlich die Regierung in Skopje in ihrer Rolle in der Flüchtlingskrise in höchsten Tönen gelobt. Stichwort: Schliessung der Balkanroute. Erwarten Sie dafür eine Gegenleistung?

Nein.

Sind Sie zuversichtlich mit Blick auf Mazedoniens Zukunft?

Das bin ich. Meine Urgrossmutter lebte ihr ganzes Leben im gleichen Dorf in Mazedonien. Sie war in ihrem Leben Bürgerin von sieben Staaten. Mein Vater hatte in seinem Leben vier Staatsangehörigkeiten, ich zwei: die jugoslawische und dann die mazedonische.

Wir möchten, dass unsere Kinder in einem, in ihrem Land Republik Mazedonien leben. Sie sind die erste Generation mit einer rein mazedonischen Identität. Sie sind stolz darauf, Mazedonier zu sein. Wir haben nur dieses Land! Seien Sie versichert: Wir werden nicht unsere Seele verkaufen.

Über Ivanov:
Gjorge Ivanov (56) ist seit 2009 amtierender Staatspräsident Mazedoniens. Er wuchs in dem im Südosten Mazedoniens gelegenen Ort Valandovo auf.
Er studierte Jus in Skopje und arbeitete bis 1995 beim mazedonischen Rundfunk. Seit 1995 ist er Professor für Politische Theorie und Politische Philosophie
an der Universität Skopje. Er ist Autor zahlreicher Publikationen insbesondere zur Entwicklung des politischen Systems in Mazedonien.