Hierzulande wagt kaum einer seinen Namen auszusprechen – doch in Mazedonien wird der Pianist Simon Trpčeski wie ein Rockstar gefeiert
Über 20 Meter hoch prangt er, als Reiterstandbild, von Fontänen umgeben, inmitten der mazedonischen Hauptstadt Skopje: Alexander der Große (356–323 v. Chr.). Er machte den Namen seines Geburtslandes Ma zedonien weltbekannt. Kein Wunder, dass verschiedene Völker heute sein Erbe reklamieren, darunter Albaner, Slawen und am heftigsten die Griechen, die seit zwei Jahrzehnten einen erbitterten Streit um den „nationalen“ Charakter des antiken Feldherrn führen und seit zehn Jahren den Beitritt Mazedoniens in die EU blockieren.
Einen Konflikt, den Simon Trpčeski nur absurd findet. „Keiner hatte je ein größeres Reich erobert – und dies in nur elf Jahren! Und dann das …!“, lacht er. Und lacht noch mehr, wenn das Feuilleton der Seattle Times ihn selbst für eine Wiedergeburt eben dieses Alexanders hält. Nur weil er aus Mazedonien stammt. Da zieht er doch seinen Namen vor – auch wenn keiner so recht weiß, wie dieser auszusprechen ist. Terp-chess-ki? „Ja. So ist es richtig. Übrigens: Warum sollte man mich Alexander nennen? Der war doch mit 33 Jahren schon tot – nachdem er kurz zuvor noch geheiratet hatte“, meint er fröhlich. „Er hatte nichts mehr davon – ich aber schon, denn ich lebe noch!“
Fest verwurzelt in der mazedonischen Heimat
Wozu man wissen muss, dass Trpčeski inzwischen das Sterbealter des Eroberers überholt hat und mit einer Psychologin verheiratet ist: Gemeinsam mit der Tochter lebt das Paar in Skopje. „Ich könnte mir ein Leben außerhalb meiner Heimatstadt nicht vorstellen“, stellt er fest. „Hier ist meine Familie – ich will nicht in Hotels und Flugzeugen mein Leben verbringen.“ Zumal jederzeit die Zwillinge, die seine Frau derzeit erwartet, auf die Welt kommen könnten. „Ja, wir sind etwas nervös.“
Beider Familien haben sich bereits versammelt und freuen sich. „Meine Eltern kamen seinerzeit aus armen Verhältnissen in die Hauptstadt“, erzählt er. „Aus Dörfern aus dem Südosten und Südwesten des Landes.“ Der Vater brachte es zum Richter, die Mutter zur Apothekerin. Die Eltern sangen gerne und gut, der Vater spielte die Tambura, die Langhalslaute; die Schwester sang im Chor, der Bruder schrieb dazu die Liedtexte. Und Simon, das jüngste Kind, 1979 geboren, griff zum Akkordeon – dem „Klavier des armen Mannes“, wie es heißt, das doch eines der zentralen Instrumente der mazedonischen Folklore ist. „Die Volksmusik hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert – die klassische Musik hingegen muss sich ihre Tradition erst noch erarbeiten.“
Allein im Fahrstuhl mit Sharon Stone
1934 war zwar die Mokranjac-Musikschule eröffnet worden. Doch ein Orchester konnte erst 1944 nach der Befreiung des Landes von der faschistischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg gegründet werden, als die sozialistische Republik Mazedonien ausgerufen wurde. Doch die Zeiten blieben politisch turbulent: Simon ist ein Jahr alt, als 1980 Marschall Tito stirbt und der Vielvölkerstaat Jugoslawien, zu dem Mazedonien gehörte, zerfällt. Er ist elf, als Mazedonien 1991 seine Unabhängigkeit erklärt und zur Republik Mazedonien wird.
Im selben Jahr nimmt ihn das russische Musiker-Ehepaar Boris und Ludmilla Romanov an der Musikfakultät der Universität in Skopje unter seine Fittiche. „Das war das Beste, was mir passieren konnte! Ich wurde in der alten russischen Klavierschule unterwiesen.“ Die Romanovs führen ihn in die Welt Swjatoslaw Richters und Emil Gilels’. Doch den Ausschlag für eine internationale Laufbahn gibt 2001 der zweite Preis beim Internationalen Londoner Klavierwettbewerb, kurz darauf folgt das Debüt in der Londoner Wigmore Hall – und von dort ist es nicht weit bis in die Carnegie Hall in New York.
Trpčeski glänzt mit breitem Repertoire von Haydn über Chopin bis Debussy und Strawinsky – 2003 gewann seine Einspielung mit russischer Klavierliteratur gleich zwei Gramophone-Awards. Heute ist er der prominenteste Künstler seines Landes und wird wie ein Rockstar gefeiert. Allein auf die Frage, mit wem er gerne im Fahrstuhl stecken bleiben würde, kann er sich nicht so recht zwischen Sharon Stone, Monica Bellucci, Michelle Pfeiffer, Charlize Theron und Audrey Hepburn entscheiden. Der Mann hat wirklich Humor.