Bei YB wurde er einst aussortiert, in Lugano ist er derzeit der beste Skorer der Super League. Ezgjan Alioski spricht vor dem Spiel gegen die Young Boys über seine Karriere und seine Zeit in Bern, über seine Träume und Vorbilder.
Erleben wir den besten Ezgjan Alioski aller Zeiten?
Ezgjan Alioski: (lacht) Das hoffe ich nicht, ich bin ja erst 24-jährig.
Sie erzielen Tor für Tor, wurden zum besten Super-League-Spieler des Monats September gewählt und sind mit 7 Treffern sowie 3 Assists erfolgreichster Skorer der Liga. Wie erklären Sie sich Ihre Leistungsexplosion?
Es gibt verschiedene Gründe. Zuerst einmal das Team. Ich fühle mich in Lugano sehr wohl, wir haben eine tolle Truppe, wir spielen mit Selbstvertrauen und Freude. Es macht einfach Spass. Und ich darf auf dem Feld im Rahmen unserer Taktik machen, was ich möchte. Das gefällt mir. Ich liebe es, wenn man sich zeigen kann und auch mal was probieren darf.
Sie waren früher Linksverteidiger, spielen heute am rechten Flügel, im Nationalteam waren sie zuletzt Stürmer und dann im zentralen Mittelfeld. Wo würden Sie sich denn selber aufstellen?
Schon irgendwo in der Offensive, da sind meine Stärken. Aber es stimmt, ich bin eigentlich linker Verteidiger, da spielte ich immer, und das hilft mir heute, weil ich in den Zweikämpfen genau weiss, wie ein Abwehrspieler denkt.
Zdenek Zeman funktionierte Sie letzte Saison in Lugano zur Offensivkraft um. Sonst wäre es wohl schwierig geworden, so einen Höhenflug zu realisieren.
Das ist wohl so, ja. Ich war ein sehr offensiver Linksverteidiger, vielleicht teilweise zu offensiv. (schmunzelt) Manchmal darf man im Fussball nicht zu viel nachdenken. Ich habe seit etwa einem Jahr einen neuen Berater, da wird mir viel Arbeit abgenommen, ich kann mich heute voll aufs Spielen konzentrieren, das tut gut. Es sind viele Faktoren, die entscheiden können, ob es einem läuft oder nicht.
Sie wechselten bereits als Elfjähriger von Flamatt zu YB, standen später auch in der ersten Mannschaft, schafften den Durchbruch in Bern aber nicht. Warum nicht?
Auch das ist nicht ganz so einfach zu beantworten. Es war damals für die Jungen bei YB schwierig, neben mir gab es nur noch Matteo Tosetti. 2011 kam Christian Gross als Trainer, er setzte auf mich. Ich war der Ersatz von Christoph Spycher, der aber bereits älter war, sein Karriereende war absehbar. Ich rechnete mir also Chancen aus, irgendwann ins Team zu rutschen. Später im Sommer 2011 wurde dann aber Jan Lecjaks verpflichtet, und mir war sofort klar, dass es für mich als dritter Linksverteidiger in einem grossen Kader sehr schwierig werden würde.
Sie wechselten im Januar 2013 zu Schaffhausen, ohne einmal in der Super League für die Young Boys gespielt zu haben ...
Das war bitter, ich wollte mich durchbeissen, erhielt aber keine Gelegenheit, mich zu zeigen. Es ist bei YB oft sehr unruhig, auch damals gab es viele Wechsel.
Ist es für Sie heute eine besondere Genugtuung oder sogar eine Art Rache, es den Leuten gezeigt zu haben, die früher nicht an Sie geglaubt haben?
So weit würde ich nicht gehen. Mir geht es um mich, um meine Karriere. Ich erlebte in den letzten Jahren harte Momente, es war manchmal sehr schwer, deshalb freut es mich nun enorm, wie sich die Dinge zuletzt für mich entwickelt haben.
Sie waren in den letzten Jahren oft ein Thema bei YB, aber auch Sportchef Fredy Bickel sagte Ihnen mehrmals ab, weil die Young Boys keinen Bedarf für Sie sahen.
Es gab halt immer viele Linksverteidiger bei YB, ich spielte in Schaffhausen auch nicht immer so, dass ich mich für einen Spitzenklub aufgedrängt hätte. Das Leben als Fussballer ist halt oft unberechenbar, das habe ich festgestellt. Die schwierigste Zeit war jedoch damals in Bern. Ich erhielt bei YB nie eine faire Chance.
Die damaligen Verantwortlichen sollen Ihnen relativ deutlich gesagt haben, dass es Ihnen an den Qualitäten fehle, um Profifussballer zu werden.
Das stimmt. Ich erhielt den Ratschlag, mich um eine Ausbildung zu kümmern, das würde nicht reichen zum Fussballprofi. Mir und meinem Vater wurde bei YB sogar offen mitgeteilt, dass ich höchstens Talent für die 1. Liga hätte. Das war schmerzhaft.
Nun sind Sie seit bald einem Jahr auf der Überholspur unterwegs. Wo soll das enden?
Ich bin kein Träumer. Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte ich für ein paar Wochen gar keinen Vertrag und war eine Zeit lang arbeitslos. Das vergesse ich nicht so schnell. Ich erhielt zum Glück in Lugano die Gelegenheit, mich zu entwickeln.
Deshalb wechselten Sie im Sommer auch nicht?
Ja, das war für mich kein Thema. Ich wollte den Vertrag bis 2018 verlängern, weil das genau richtig für mich ist. Hier spüre ich das totale Vertrauen, hier gefällt es mir, hier darf ich auch mal einen Fehler machen.
Aber Sie werden nicht die nächsten zehn Jahre in Lugano bleiben.
Wie jeder Profifussballer möchte ich mal in einer grossen Liga spielen, England, Spanien, Deutschland, auch Frankreich oder Italien, das ist doch klar. Aber das pressiert nicht, wir haben in Lugano noch viel vor. Und wir können in dieser Saison einiges erreichen. Nur darum geht es derzeit.
Wer waren denn eigentlich Ihre Vorbilder als Junior?
Ich gucke heute noch in jeder freien Sekunde Fussballspiele, das ist sehr wichtig für mich. Mein absoluter Lieblingsklub ist Real Madrid, meine Vorbilder waren und sind Roberto Carlos und Marcelo von Real ...
... beides sehr, sehr offensive Linksverteidiger ...
... ja, das war halt immer meine Position.
Mittlerweile sind Sie Nationalspieler Mazedoniens. Heute wären Sie aber wohl auch ein Kandidat für die Schweizer Nationalmannschaft.
Ich wurde damals in der U-16 für ein paar Lehrgänge in der Schweiz aufgeboten, aber ich erhielt den Schweizer Pass erst später. Ab der U-17 war ich dann in Mazedonien dabei. Der Schweizer Jahrgang 1992 wurde 2009 U-17-Weltmeister, es wäre also sicher enorm schwierig geworden für mich, mich aufzudrängen.
Kürzlich trafen Sie für Mazedonien in der WM-Qualifikation gegen Albanien, letzte Woche verloren Sie nach 2:1-Führung bis kurz vor Schluss gegen Italien unglücklich 2:3. Waren Sie ein wenig enttäuscht von den recht biederen Italienern?
Ja, die waren wirklich nicht gut, wir hätten höher führen und gewinnen müssen. Es gibt halt wirklich keine kleinen Nationen mehr, auch wir haben ein gutes Team. Leider verloren wir dieses Spiel, aber Italien überzeugte mich teilweise überhaupt nicht. Auf dem Platz war an jenem Abend jedenfalls kein Klassenunterschied festzustellen.
Am Sonntag empfangen Sie mit Lugano die Young Boys. Ist das für Sie nach all den Jahren überhaupt noch ein spezielles Spiel?
Auf jeden Fall. Meine Familie wohnt immer noch in Flamatt, viele Freunde sind in Bern, ich bin oft zu Hause. Ich habe knapp zehn Jahre am Stück bei YB verbracht und träumte damals immer davon, einmal in der ersten Mannschaft zu sein.
Haben Sie denn heute noch Kontakt zum Verein?
Nicht gross, nein. Ich bin mit Leonardo Bertone befreundet, er trainierte damals schon bei der U-13 bei uns oben mit, seither kennen wir uns.
YB steht am Sonntag im Tessin extrem unter Druck. Was erwarten Sie für ein Spiel?
Wir treffen auf einen starken Gegner, das sind wir uns bewusst. Aber YB ist ein Team, das nach vorne spielt, das gibt oft schöne Duelle. Und so erhalten wir vielleicht Räume, die wir nutzen müssen. Wir haben nichts zu verlieren, das ist ein Vorteil. Wir können die Young Boys ärgern.