Mazedoniens neuer Präsident Stevo Pendarovski im Interview mit DW/Deutsche Welle.
Deutsche Welle: Was sind die Gründe dafür, dass es trotz des gelösten Namensstreits mit Griechenland, der noch als einziges Hindernis auf dem Weg zur EU genannt worden war, noch immer nicht klar ist, wann die EU Nordmazedonien Beitrittsverhandlungen anbieten wird?
Stevo Pendarovski: Ich möchte an eine politische Entscheidung Deutschlands vor nicht all zu langer Zeit erinnern. Sie wissen, dass Deutschland die Lokomotive war, der Hauptantrieb, damit Kroatien ein Mitglied der EU wird. Als Kroatien Mitglied wurde, hat der Bundestag beschlossen, dass er für jedes weitere Land abstimmen wird, ehe es ein Datum für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen bekommt. Es ist wichtig zu wissen, dass in diesem Moment keiner der führenden EU-Politiker bzw. der großen politischen Parteien in Europa dagegen ist, dass Nordmazedonien ein Datum bekommt.
Ich erwarte demnächst ein offizielles Treffen mit [Bundes-] Präsident Steinmeier in Berlin, bei dem nach meiner Überzeugung der strategische Bund zwischen Nordmazedonien und Deutschland bestätigt wird. Es ist sehr wichtig, dass wir als Land die nötigen Voraussetzungen erfüllt haben. Wir sind uns dessen bewusst, dass die Entscheidung zur Eröffnung der Beitrittsverhandlungen davon abhängt, ob ein Land die nötigen Reformen durchgeführt hat.
In diesem Sinne ist der EU-Fortschrittsbericht bezüglich Nordmazedoniens ganz klar. Er zeigt, dass unsere Institutionen ihre Aufgaben erledigt haben. Ich wiederhole nur einen Satz dieses Berichts: "Nordmazedonien ist ein leuchtendes Beispiel in der Region...". Vor einigen Jahren hatten wir in einem der Fortschrittsberichte die Phrase, die auch heute noch Teil des politischen Narrativ ist, es handele sich um einen "gefangenen Staat".
Die zweite Komponente ist der politische Wille. Und da möchte ich nochmal wiederholen, dass keiner der ernsthaften politischen Player in der EU sagt, dass Nordmazedonien kein Datum für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen bekommen wird. Natürlich gibt es immer wieder Akteure, die auf ihre innenpolitische Gegebenheiten Rücksicht nehmen müssen. Doch in diesem Fall sehen wir klare politische Ansagen, die auf einen positiven Ausgang hindeuten.
Die größte Herausforderung im ganzen Prozess jedoch ist das Warten. Die Bürger unseres Landes wollen zu Recht eine Intensivierung des wirtschaftlichen Wachstums, eine Perspektive für die jungen Menschen, damit sie ihr Potential auch im eigenen Lande nutzen können anstatt zu emigrieren, weil es im Lande keine Aussichten für sie gibt. Und natürlich verlangen alle auch effektive Institutionen des Rechtsstaates, die transparent und für jeden zugänglich sind. Meiner Meinung nach ist unstrittig, dass wir demnächst ein Datum bekommen; die Frage ist jedoch, ob in dem polarisierten innenpolitischen Ambiente auch erkannt wird, dass unsererseits die Hausaufgaben erledigt wurden, und dass ein eventuelles Verschieben auf Prozesse zurückzuführen ist, die außerhalb unseres Einflusses liegen.